Lageplan der Kunstwerke entlang des Herzweges um den Schaumberg

Lageplan der Kunstwerke entlang des Herzweges um den Schaumberg 

Jochen Maas. Foto: Hans Werner Scheuer

Jochen Maas 

Frauke Eckhardt. Foto: Hans Werner Scheuer

Frauke Eckhardt 

Ferdinand Herrmann. Foto: Hans Werner Scheuer

Ferdinand Herrmann 

Bernd Janes. Foto: Hans Werner Scheuer

Bernd Janes 

Hans-Jürgen Pruß. Foto: Hans Werner Scheuer

Hans-Jürgen Pruß 

Alexander R. Titz und seine Mutter, 1975, und Schafe, die zur Landwirtschaft der Benediktiner gehörten, 1976. Fotos: Rüdiger Titz

Alexander R. Titz und seine Mutter, 1975, und Schafe, die zur Landwirtschaft der Benediktiner gehörten, 1976 

Schaumberg, 2. Symposion "Gipfelkunst am Schaumberg"

Letzte Änderung: 09/12/2011

"Ihr seht nach oben, wenn Ihr nach Erhebung verlangt. Und ich sehe hinab, weil ich erhoben bin. Wer von Euch kann zugleich lachen und erhoben sein? Wer auf den höchsten Bergen steigt, der lacht über alle Trauer-Spiele und Trauer-Ernste." (Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra)

Zum zweiten Male ist der Herzweg um den (Tholeyer) Schaumberg Schauplatz eines kleinen Symposiums um Kunst im Öffentlichen Raum - die "Gipfelkunst" erlebt ihre Erweiterung und Ergänzung, aber auch eine Erneuerung, wurden doch einige Objekte des ersten Symposiums ersetzt. 2008 entstanden hier Kunstwerke, welche die Landschaft, die Natur reflektierten, sich in diese integrierten, einen Kontrapunkt setzten und damit Fragen zur Zwiesprache zwischen Mensch und Natur aufriefen und Fingerzeige zu deren Beantwortung geben wollten.

Letzteres setzen die "neuen" Objekte in diesem Jahr fort, erweitern die Themenstellung um die Fragen der Wahrnehmung von Natur, von Landschaft mit Mitteln der Bildenden Kunst und öffnen damit die Pforten, um die Fragestellungen ins Allgemeingültige zu erweitern und Erkenntnisprozesse zum Wesen der Dinge, des Menschen, der Welt anzustoßen. Dabei thematisieren die Künstler nicht nur die Wahrnehmung der Natur, der Landschaft, sondern auch den Umgang mit der Natur, die Einwirkung des Menschen auf die Natur und der Natur auf den Menschen, z. T. in symbolischer Chiffrierung. Der Erkenntnisprozess des Menschen ist dabei ein zweifacher - oder besser gesagt ein reziproker Prozess.


Friedrich Nietzsche formuliert es so: "von sich absehn lernen ist nöthig, um Viel zu sehen - diese Härte thut jedem Berge-Steigenden Noth." Dies meint das Erkennen des außerhalb Liegenden - und weiter schreibt Nietzsche: "Und was mir nun auch noch als Schicksal und Erlebnis komme - ein Wandern wird darin sein und ein Bergsteigen: man erlebt nur noch sich selber." Erst wenn der Mensch seine Aufmerksamkeit von sich selbst löst und auf die Natur richtet, wird deren Antwort, die Reflektion, dem Menschen wirkliche Erkenntnis über sich selbst geben.

Die Objekte und Installationen greifen in diesem Jahr beides auf: das Wahrnehmen der Natur, der Landschaft, das außerhalb des Menschen Liegende, die Einstellung des Menschen dazu, die reflektierte Einwirkung auf seine innere Befindlichkeit, ein ständiges Wechselspiel von Innen und Außen. Gleiches gilt auch für den Umgang mit der Natur: Bewahren und Zerstören sind die beiden Pole. Beide Vorgänge haben wiederum Bezug zur inneren Befindlichkeit, beide hinterlassen Spuren "auf der Seele" des Menschen, beide können auf künftiges Handeln des Menschen wirken.

 

Nietzsche schreibt: "Als nun Zarathustra so den Berg hinanstieg, gedachte er unterwegs des vielen einsamen Wanderns von Jugend an, und wie viele Berge und Rücken und Gipfel er schon gestiegen sei."

 

Der Prozess der Wahrnehmung der Natur wird von den hier vertretenen Künstlern in ganz unterschiedlicher Weise in Gang gesetzt und wird im besten Fall in das Nachdenken des Betrachters über sich selbst und das eigene Handeln führen.

In der Bühnenkunst lebt (seit Erwin Piscator) immer wieder die Streifrage "Regietheater oder Autorentheater" auf. Vielleicht gibt es ja in der Bildenden Kunst etwas Ähnliches: die Frage, worauf mehr Gewicht gelegt wird, auf die Aussage, die Botschaft oder auf die formalen Mittel - das kann natürlich kein entweder oder sein, eher eine Frage der Vorherrschaft; welcher Aspekt hat die größeren Anteile in einem Werk. Ideal ist es natürlich, wenn beides, Aussage und Form, die gleiche Gewichtung erhält. Diesem Ideal nahe zu kommen, ist sicher auch ein Anliegen der hier beteiligten Künstler.

Jochen Maas setzt mit seinem Beitrag einen sehr ausgefallenen, ja fast schrillen und provokanten Akzent, der ein wichtiges Segment des Themas aufgreift. Vom Südhang des Schaumbergs blickt sein "Auge" (farbige Kunstoffpailletten u. a. Materialien) in die Landschaft hinaus und thematisiert das Sehen, den wohl häufigsten zur Wahrnehmung der Natur bewusst gebrauchten Sinn. Goethes sog. "Türmerlied" (aus "Faust. Der Tragödie Zweiter Teil") umschreibt diesen Sinn ganz exemplarisch für das hier diskutierte Thema: "Zum Sehen geboren / zum Schauen bestellt (…) Ich blick in die Ferne / Ich seh' in der Näh`(…) So seh' ich in allem / Die ewige Zier / und wie's mir gefallen / Gefall' ich auch mir (…)". Das große Auge am Berg wirkt aber auch wie ein Zyklopenauge, das alles sieht: der Mensch schaut die Natur, die Natur schaut zurück - und so klingen Rilkes Verse über einen antiken Torso aus Stein an: "..denn da ist keine Stelle, die dich nicht sieht. Du musst dein Leben ändern." ("Archaischer Torso Apollos")

Die andere wichtige Möglichkeit der Wahrnehmung ist das Hören – was die Natur-Wahrnehmung anlangt, sicher oft weniger bewusst, wohl auch weil das ganz bewusste Hören der omnipräsenten Geräuschkulisse eine gewisse Mühe und Konzentration verlangt. Das greift Frauke Eckardt in ihrer Installation auf. Im Sinne der oben aufgeworfenen Frage nach Aussage und Form ist Frauke Eckardts Beitrag in gewisser Weise eine Ausnahme. Ihr materiell fassbares Objekt - ein zylinderförmiger Raum aus weißem Polyestergewebe - ist "nur" der Rahmen, die Hilfskonstruktion für das Eigentliche - notwendig für dessen Funktion: mit dem Hörerlebnis das Wesen der Natur, der Landschaft akustisch zu erfahren. Im Raum, der den Besucher von der Umwelt = Natur optisch ausgrenzt und eine "optische Ruhezone" (Eckardt) bildet, wird dem "Hörer" die "akustische Umwelt" erlebbar gemacht. Sie sagt: "Der Passant ist eingeladen, in den Raum einzutreten und auf dem mittig angeordneten Drehhocker Platz zu nehmen, körperlich zur Ruhe zu kommen. (…) Durch die gewonnene, zentrierte optische Ruhe wird die akustische Wahrnehmung des Passanten intensiviert. Seine Umgebung wird stärker durch die eigenen akustischen Phänomene bestimmt und erlebt. (…) Ein Bewusstwerden der Wechselwirkung von eigener Befindlichkeit und der akustischen Umwelt, als Grundlage der eigenen Verortung, kann stattfinden." Christina Kubisch schreibt über ihre Schülerin Frauke Eckardt: "…sie macht das Erleben der Natur zur Kunst. Die aktive Einbeziehung des Besuchers ist ihr wichtiger als das Vorzeigen eines bereits fertigen Kunstwerks." - Zu ergänzen wäre, das Kunstwerk entsteht mit jedem Besucher neu.

Ferdinand Hermann, Bernd Janes und Hans-Jürgen Pruss thematisieren in ihren Arbeiten die Wechselwirkungen zwischen Mensch und Natur - insbesondere den aktiven, positiv wie negativ gestaltenden Eingriff des Menschen.


Ferdinand Hermann widmet der Relation zwischen Mensch und Natur, Landschaft eine sehr hintergründig-symbolische Arbeit. Bei Hermann muss man schon genauer hinsehen und sich hineindenken - mit der oben gestellten Frage im Hintergrund. Sein Objekt wirkt ja zunächst wie eine "nur formale" Arbeit: die farbigen Stahlkugeln, die sich in ihrer Buntheit von der Naturumgebung abheben, bilden einen Kreis um einen Baumstamm. Man könnte an mystische Symbolik früher Kulturen denken - was dieses Objekt ja wohl gar nicht will. Erst wenn man versucht, alle Beobachtungen an dieser Arbeit zusammenzufassen und ihren Symbolcharakter zu untersuchen, ergeben sich Deutungen: die Natur von Menschenwerk geschmückt und erhöht oder gefesselt und geknebelt? Hier kommen sich Form und Botschaft schon sehr nahe.

Ebenso in der Arbeit von Bernd Janes: Er platziert neun aufrecht stehende grob behauene Baumstämme (Eschen) im Quadrat (3x3). Aus technischen Gründen wurde im Verlauf der Arbeiten eine Planänderung nötig. Die neun Stämme wurden entrindet und wie vorgesehen im Quadrat aufgerichtet und nun mit Stahlbändern zusammen gehalten, statt von Eisenstäben durchdrungen. Janes gibt in seinem Textbeitrag zum Katalog eine Deutung hinzu; er weist auf die Weltesche der germanischen Mythologie hin, die mit ihren neun Stämmen die neun Welten der Germanen formt. Die Stahlbänder geben Zusammenhalt und Stabilität, aber sie fesseln auch. Bäume nutzen dem Menschen auf vielfältige Weise - umso mehr verdienen sie Würde und Respekt - und sie haben, was den Menschen vielfach fehlt: Wurzeln! So wird in dieser Deutlichkeit, vielleicht noch intensiver, wenn auch leiser als ursprünglich beabsichtigt, aus der mythologischen Symbolik ein Mahnmal gegen den gar nicht so "freundlichen" Umgang mit den Menschenfreunden, den Bäumen: gehäutet, wurzellos und gefesselt stehen sie vor uns - also zeigt Janes doch wieder metaphorisch das Problematische des Umgangs des Menschen mit der Natur auf - mit Hilfe von Baumstämmen aus dem Schaumberg-Wald. Auch hier liegen Aussage und Form nahezu im Gleichgewicht.

Hans-Jürgen Pruss arbeitet in seinem Objekt, einem Baumstamm, stellvertretend für die Natur, das Potenzial heraus, das sich in "menschlicher" Begrifflichkeit und Formgebung fassen lässt. Aus dem Stamm arbeitetet er vier Kuben heraus, die aus dem noch in der Rinde stehende Stumpf zu erwachsen scheinen. Die stereometrischen Formen wirken als naturfremde Konstruktionen, was unregelmäßig verteilte, rechtwinklige Öffnungen und Durchsteckungen unterstreichen. Eine Assoziation stellt sich ein: die Indianer der Nordwestküste Nordamerikas meißelten aus dicken Baumstämmen Totempfählen, in denen sich magische Tiere und mythische Wesen übereinander türmen als Metaphern, die das geistige Potenzial der Natur in menschliche Vorstellungen übersetzen und gleichzeitig auch die tatsächlichen oder erwünschten Eigenschaften der Besitzer reflektieren. Vielleicht ist Hans-Jürgen Pruss dem nicht so fern, wenn er auch ein abstraktes, ein stereometrischen Vokabular benutzt.

Hintersinnig und doppeldeutig auch die Installation von Alexander Titz: Hirte und Schafe - aus Mülleimern gearbeitet und am Herzweg platziert. In Metaphorik und Ironie ist diese Arbeit nicht weit von der Arbeit Jochen Maas' entfernt. "Hirte und Schafe" thematisiert die Historie der Landschaft um den Schaumberg mit dem Bezug auf den Hirten, Einsiedler und Klostergründer Wendalinus, die Kindheitserinnerungen des Künstlers an Aufenthalte in der Schaumberglandschaft, - und schließlich ist sein Material "Mülleimer" ein, wenn nicht das, Symbol für den wenig schonenden Umgang des Menschen mit Natur und Landschaft. Titz jongliert nun geradezu mit dem - um es noch einmal klar zu sagen - willkürlich gewählten, aber als Schablone hilfreichen Begriffspaar "Form und Aussage". Die Arbeit ist zunächst sehr emotional mit ihrem Ausgehen von romantischen Kindheitserinnerungen, die in sehr reduzierte, fast abstrakte Formen umgesetzt werden, die wiederum eigentlich Gebrauchsgegenständen gehören. Die Gebrauchsgegenstände gehören einer anderen Sphäre an, werden aber als Formelemente zu etwas anderem zusammengesetzt, was wieder in einen anderen Bereich weist. Das Material, verzinktes Blech, setzt sich schon farblich von seinem Naturumfeld ab - wobei sich dieser (Farb-) Kontrast mit Fortdauer der Ausstellung mehr und mehr nivellieren wird. Titz treibt ein Vexierspiel zwischen Form und Aussage und zwingt zur gedanklichen Auseinandersetzung.

In der diesjährigen Ausstellung "Gipfelkunst" steht weniger der Dialog mit der Natur, der Landschaft im Mittelpunkt, weniger der Versuch mit den Mitteln der Kunst das Wesen der Landschaft aufzunehmen und wiederzugeben, als vielmehr einen weiteren Schritt in der Gewinnung von Erkenntnis zu gehen: es wird die Frage gestellt, wie und was der Mensch von der Natur, von der Landschaft wahrnehmen kann und ob diese Vorgänge reziprok sind oder sein können; wie der Mensch mit der Natur umgeht oder umgehen kann und welche Rückschlüsse das zulässt - endend in der Frage, ob es gerecht ist, wenn der Mensch dem gegenüber achtlos ist oder das gar schädigt aus dem er kommt und wohin er zurückkehrt.

Auch diese "2. Gipfelkunst" wird viele Anstöße zum Nachdenken geben können.

 

Michael Jähne

 

 

Bibliografie

  • Nietzsche's Werke. Erste Abtheilung, Band VI "Also sprach Zarathustra" Kapitel 56. Leipzig 1901
  • 2. Gipfelkunst am Schaumberg. Ein Projekt von Gemeinde Tholey und Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler Saarland e.V. Redaktion: Jutta Backes-Burr. Layout und Gestaltung: Mahren+Reiss Grafik Design. Saarbrücken 2011

 

Redaktion: Claudia Maas


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