Gunter Demnig (links) verlegt die "Stolpersteine" für den ehem. Fraktionsvorsitzenden der kommunistischen Partei im Stadtrat von Saarlouis Peter Berger und seinen Sohn Nikolaus Berger, Saarlouis, Sonnenstraße 11, 8. April 2011. Foto: Institut für aktuelle Kunst im Saarland, Oranna Dimmig

Gunter Demnig (links) verlegt die "Stolpersteine" für den ehem. Fraktionsvorsitzenden der kommunistischen Partei im Stadtrat von Saarlouis Peter Berger und seinen Sohn Nikolaus Berger, Saarlouis, Sonnenstraße 11, 8. April 2011 

"Stolperstein"-Verlegung in der Sonnenstraße 11, Saarlouis, 8. April 2011. Foto: Institut für aktuelle Kunst im Saarland, Oranna Dimmig

"Stolperstein"-Verlegung in der Sonnenstraße 11, Saarlouis, 8. April 2011 

Der "Stolperstein" zur Erinnerung an das im Rahmen der "Aktion T4" ermordete Kind Marlies Löb vor der Setzung. Foto: Institut für aktuelle Kunst im Saarland, Oranna Dimmig

Der "Stolperstein" zur Erinnerung an das im Rahmen der "Aktion T4" ermordete Kind Marlies Löb vor der Setzung 

Verlegung des "Stolpersteins" für Marlies Löb in Saarlouis, Schwarzochsenstraße, 8. April 2011. Foto: Institut für aktuelle Kunst im Saarland, Oranna Dimmig

Verlegung des "Stolpersteins" für Marlies Löb, Saarlouis, Schwarzochsenstraße, 8. April 2011 

Verlegung des "Stolpersteins" für Erna Berl, eine der Deportierten der "Bürckel-Wagner-Aktion" vom 22. Oktober 1940, St. Wendel, Schlossstraße 6/8, 9. April 2011. Foto: Institut für aktuelle Kunst im Saarland, Margarete Wagner-Grill

Verlegung des "Stolpersteins" für Erna Berl, eine der Deportierten der "Bürckel-Wagner-Aktion" vom 22. Oktober 1940, St. Wendel, Schlossstraße 6/8, 9. April 2011 

"Stolpersteine" für die vier Schwestern Reinheimer, St. Wendel, Hospitalstraße 13, 9. April 2011. Foto: Institut für aktuelle Kunst im Saarland, Margarete Wagner-Grill

"Stolpersteine" für die vier Schwestern Reinheimer, St. Wendel, Hospitalstraße 13, 9. April 2011 

Gunter Demnig verlegt den "Stolperstein" für die durch die "Bürckel-Wagner-Aktion" nach Gurs deportierte Rosa Hanau, Siersburg, 9. März 2010. Foto: Hanno Krisam, Siersburg

Gunter Demnig verlegt den "Stolperstein" für die durch die "Bürckel-Wagner-Aktion" nach Gurs deportierte Rosa Hanau, Siersburg, 9. März 2010 

Gunter Demnig bei der Setzung der "Stolpersteine" für die ehemaligen Mitglieder des Saarbrücker Stadtrates Dobisch, Roth und Schorr vor dem Rathaus St. Johann, Saarbrücken, 8. April 2011. Foto: Landeshauptstadt Saarbrücken

Gunter Demnig bei der Setzung der "Stolpersteine" für die ehemaligen Mitglieder des Saarbrücker Stadtrates Dobisch, Roth und Schorr vor dem Rathaus St. Johann, Saarbrücken, 8. April 2011 

Gedenkfeier für Fritz Dobisch, Peter Roth und Wendel Schorr nach der Verlegung der "Stolpersteine" am 8. April 2011 vor dem Rathaus Saarbrücken-St.Johann. Foto: Landeshauptstadt Saarbrücken

Gedenkfeier für Fritz Dobisch, Peter Roth und Wendel Schorr nach der Verlegung der "Stolpersteine" am 8. April 2011 vor dem Rathaus Saarbrücken-St.Johann 

Aspekte: Das Erinnerungsprojekt "Stolpersteine" von Gunter Demnig – ein wachsendes Denkmal im öffentlichen Raum. Dokumentation der im Saarland verlegten "Stolpersteine"

Letzte Änderung: 08/03/2016

Als der Kölner Aktionskünstler Gunter Demnig 1995 die ersten "Stolpersteine" im Griechenmarktviertel zu Köln und 1996 in Berlin-Kreuzberg verlegte (die damaligen Interventionen im öffentlichen Raum waren noch illegal), war nicht abzusehen, dass sein Projekt in allen Ländern der Bundesrepublik Deutschland und in vielen europäischen Nachbarstaaten aufgenommen werden, wachsen, sich als Bestandteil des Gedenkens an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verankern und als Ansatz zur Beschäftigung mit den Massenverbrechen jener Zeit dienen würde. Inzwischen hat Gunter Demnig mit Hilfe eines kleinen Mitarbeiterstabes und einer nicht zu beziffernden Anzahl freiwilliger, ehrenamtlicher Helfer in über 900 Orten in Deutschland sowie in 17 europäischen Ländern mehr als 50.000 "Stolpersteine" verlegt (Stand November 2015, Angaben nach "Der Tagesspiegel" Nr. 22574, 7. November 2015, S. 21).

 

Im Unterschied zu anderen Denkmalen für die Opfer der nationalsozialistischen Diktatur erinnert das "dezentrale Monument" (Demnig) an einzelne Menschen, die zu Opfern des Nationalsozialismus wurden, und zwar in der Regel genau an denjenigen Orten, an denen die Verfolgten zuletzt gewohnt haben, bevor sie zur Flucht gezwungen, verhaftet oder deportiert wurden. Durch die "Stolpersteine" – kleine, aber deutliche Markierungen an den ehemaligen Wohnstätten – wird individuell an verfolgte Menschen erinnert und zugleich Fragen nach dem Kontext des Geschehens aufgeworfen.

 

Ein "Stolperstein" ist ein Betonquader mit den Maßen Breite 96 x Tiefe 96 x Höhe 100 mm, der einem Pflasterstein gleicht. Auf seiner Oberseite ist eine Messingplatte montiert, die fest mit dem Betonkörper verankert ist. Die Messingplatte trägt eine Inschrift. Alle "Stolpersteine" sind in Handarbeit entstandene Einzelanfertigungen. Der Körper wird aus handgeschöpftem Beton gegossen, die Inschrift mittels Hammer und Schlagbuchstaben in die Metallplatte eingestanzt.

 

Angefertigt werden die einheitlich gestalteten "Stolpersteine" für Menschen aller Opfergruppen. Durch die Inschrift ist jeder "Stolperstein" personenbezogen. Genannt werden nach der Anfangszeile "Hier wohnte" (auch "Hier lebte" oder "Hier arbeitete") der Name und das Geburtsjahr der jeweiligen Person, es folgen Daten zur Verhaftung, Flucht, Deportation, Namen von Fluchtort, Internierungs-, Konzentrations- und Vernichtungslager, Todesdatum, Todesumstände - gelegentlich aber auch der Vermerk "überlebt". Für die stichwortartigen Inschriften hat Gunter Demnig eine Art Formulierungskanon entwickelt, der den Widerspruch zwischen den zu dokumentierenden individuellen Schicksalen und der angestrebten Einheitlichkeit der "Stolpersteine" ausgleichen soll und der relativ kleinen Beschriftungsfläche geschuldet ist.

 

Für jeden "Stolperstein" müssen die Daten ermittelt werden. Hat der Künstler die Recherchen anfangs noch selbst durchgeführt, so wird diese Aufgabe inzwischen von Inititatoren, Paten, Stiftern und Initiativgruppen übernommen, die einen "Stolperstein" (oder mehrere) initiieren, durch das Atelier Demnig anfertigen und verlegen lassen und schließlich bezahlen. Dieser partizipatorische Ansatz veranlasst die Initiatoren - zu nennen sind beispielsweise Hausbewohner, Heimatforscher, Lehrer, Schulklassen, Vereine, Kirchengemeinden und in zunehmendem Maße auch Angehörige -, aktiv zu werden, sich zu informieren, zu forschen, sich mit der Person, ihrem Schicksal und der Zeit des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen.

 

Vorläufiger Endpunkt der Beschäftigung und Auseinandersetzung mit der zu erinnernden Person ist die Verlegung des "Stolpersteins". Dazu bedarf es der Genehmigung der jeweiligen Gemeinde, der Abstimmung mit der örtlichen Baubehörde und der Koordination mit dem Atelier Demnig in Köln. Die Verlegung des "Stolpersteins" durch Gunter Demnig ist ein künstlerischer Akt. Der "Stolperstein" wird zumeist in der Nähe des Gebäudeeingangs plan in den Bürgersteig eingelassen und einbetoniert. In vielen Fällen ist die Verlegung mit einer kleinen Feier, mit Vorträgen und Ausstellungen verbunden, die von den Initiatoren und Paten organisiert werden. Mit der Verlegung im öffentlichen Raum wird der "Stolperstein" von den Stiftern der Stadt oder Gemeinde geschenkt und geht in öffentlichen Besitz über.

 

Auch nach der Verlegung kann die Beschäftigung mit der oder den Personen weitergehen. Die Forschungen können vertieft und ausgeweitet, die stumpf gewordenen Messingplatten an Gedenktagen gereinigt oder regelmäßig von Putzpaten gepflegt, Führungen zu den im öffentlichen Raum gesetzten "Stolpersteinen" angeboten werden.

 

Eine weitere Ebene des Projekts "Stolpersteine" sollte die Dokumentation sein - nicht zuletzt deswegen, um denjenigen, die nicht in das Projekt einbezogen waren, aber im öffentlichen Raum auf einen "Stolperstein" gestoßen sind, die Möglichkeit zu geben, sich über seine  Bedeutung zu informieren. Flyer, Broschüren und Bücher dokumentieren die Steine und erzählen die Biografien der Menschen hinter den Steinen. Viele Städte, Gemeinden und Initiativen machen die Daten über Amtsblätter, Lokalzeitungen oder Internetseiten zugänglich, in zunehmendem Maße sogar über eigene "Stolperstein"-Internetseiten.

 

Im Saarland wurden die ersten "Stolpersteine" 2007 in Illingen gesetzt; die Initiative ging von zwei Schülern aus. Seitdem schließen sich immer mehr Initiatoren und Gemeinden dem Erinnerungsprojekt an.

 

Gunter Demnig hat inzwischen ca. 400 "Stolpersteine" im Saarland verlegt, sowie eine "Stolperschwelle" in Völklingen (Stand 11. Oktober 2015). Die Erinnerungszeichen sind zu finden in folgenden Gemeinden:

  • Blieskastel (Blieskastel, Niederwürzbach)
  • Dillingen
  • Gersheim (Gersheim, Niedergailbach)
  • Illingen (Illingen)
  • Kirkel (Limbach)
  • Kleinblittersdorf (Rilchingen-Hanweiler)
  • Lebach (Lebach, Niedersaubach)
  • Losheim am See (Losheim)
  • Merzig (Merzig, Besseringen)
  • Neunkirchen (Heinitz, Sinnerthal, Wellesweiler, Wiebelskirchen)
  • Nohfelden (Bosen, Gonnesweiler, Sötern)
  • Ottweiler (Ottweiler)
  • Rehlingen-Siersburg (Rehlingen, Siersburg, Hemmersdorf, Niedaltdorf)
  • Riegelsberg (Riegelsberg)
  • Saarbrücken (St. Johann)
  • Saarlouis (Innenstadt, Lisdorf und Roden)
  • Saarwellingen (Saarwellingen)
  • Schmelz (Bettingen, Hüttersdorf)
  • St. Ingbert (St. Ingbert-Mitte)
  • St. Wendel (St. Wendel)
  • Tholey (Tholey)
  • Völklingen (Völklingen, Fürstenhausen, Geislautern, Heidstock, Lauterbach, Ludweiler, Luisenthal, Wehrden)

 

Termine für die nächsten Verlegungen von "Stolpersteinen" im Saarland:

  • 25. Juni 2016 in St. Ingbert
  • September 2016 in Ottweiler (unter Vorbehalt)

 

Eine Aufstellung aller "Stolpersteine" im Saarland fehlte bisher. Da die Inventarisation und Dokumentation der Kunst im öffentlichen Raum, die nach 1945 im Saarland entstanden ist, zu den Aufgaben des Instituts für aktuelle Kunst im Saarland gehört, sammelt das Institut auch Informationen zu den "Stolpersteinen", die in diesem Bundesland verlegt werden, bereitet die Angaben systematisch auf und macht sie sukzessive zugänglich.

 

Damit die Daten vollständig erfasst, fortgeschrieben und auf dieser Internetseite dokumentiert werden können, ist das Institut für aktuelle Kunst auf die Mitwirkung der "Stolperstein"-Initiatoren und "Stolperstein"-Paten angewiesen.

 

 

Bibliografie (Auswahl)

  • Künstler forschen nach Auschwitz. Gunter Demnig, Reinhard Matz, Beate Passow, Pam Skelton, Art Spiegelman. Ausstellungsprojekt NGBK und Haus am Kleistpark, Berlin, 1996 (Flyer)
  • Am treffendsten läßt sich meine Berufsbezeichnung mit Bildhauer umschreiben. Uta Franke im Interview mit Gunter Demnig. In: Stolpersteine für die von den Nazis ermordeten ehemaligen Nachbarn aus Friedrichshain und Kreuzberg. Dokumente, Texte, Materialien. Hg. von der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst e.V. (NGBK) in Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin. Berlin 2002, S. 9-22
  • Stefanie Endlich: Ein "dezentrales Monument"? Anmerkungen zu einem ungewöhnlichen Denkmalskonzept. In: Stolpersteine für die von den Nazis ermordeten ehemaligen Nachbarn aus Friedrichshain und Kreuzberg. Dokumente, Texte, Materialien. Hg. von der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst e.V. (NGBK) in Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin. Berlin 2002, S. 28-36 
  • Nike Thurn: Stolpersteine. In: Torben Fischer und Matthias N. Lorenz (Hg.): Lexikon der "Vergangenheitsbewältigung" in Deutschland. Debatten- und Diskursgeschichte des Nationalsozialismus nach 1945. Bielefeld 2007, S. 338-339
  • NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln (Hg.): Stolpersteine. Gunter Demnig und sein Projekt. Köln 2007
  • Brinda Sommer: Gesellschaftliches Erinnern an den Nationalsozialismus: Stolpersteine wider das Vergessen. Berlin 2007 (Mitteilungen und Berichte aus dem Institut für Museumsforschung, 41)
  • Silvija Kavcic: Koordinierungsstelle Stolpersteine. Das dezentrale Denkmal. Gunter Demnigs Kunstprojekt im öffentlichen Raum. In: Museumsjournal. Berichte aus den Museen, Schlössern und Sammlungen in Berlin und Potsdam. Heft 1, 2013, S. 34-35
  • Oranna Dimmig: "Stolpersteine – Hier wohnte 1933-1945 – Ein Kunstprojekt für Europa" von Gunter Demnig. Zeichen der Erinnerung an Verfolgte des Nationalsozialismus im öffentlichen Raum des Kreises St. Wendel. In: Jo Enzweiler (Hg.): Kunst im öffentlichen Raum Saarland, Band 4, Landkreis St. Wendel 1945 bis 2012. Aufsätze und Bestandsaufnahme. Bearbeitet von Margarete Wagner-Grill. Saarbrücken 2013, S. 68-75
  • Petra T. Fritsche: Stolpersteine - Das Gedächtnis einer Straße. Berlin 2014 (Dissertation, Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften der Freien Universität Berlin)

 

Oranna Dimmig


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