Ferdinand Selgrad, "Unseren toten Bergleuten", 1964, Ehrenmal, drei Rundbogenfenster, jedes 3,10 x 1,20 m, bleigefasstes, farbiges Glas. Foto: Institut für aktuelle Kunst, Dietlinde Stroh, Dezember 1995

Ferdinand Selgrad, "Unseren toten Bergleuten", 1964, Ehrenmal, drei Rundbogenfenster, jedes 3,10 x 1,20 m, bleigefasstes, farbiges Glas 

Ferdinand Selgrad, "Unseren toten Bergleuten", 1964, Mittelfenster. Foto: Institut für aktuelle Kunst, Dietlinde Stroh, Dezember 1995

Ferdinand Selgrad, "Unseren toten Bergleuten", 1964, Mittelfenster 

Ferdinand Selgrad, Fenstergestaltung auf dem oberen Treppenabsatz, 1964, Rundbogenfenster, jedes 3,10 x 1,20 m, bleigefasstes, teilweise farbiges Glas. Foto: Institut für aktuelle Kunst, Dietlinde Stroh, Dezember 1995

Ferdinand Selgrad, Fenstergestaltung auf dem oberen Treppenabsatz, 1964, Rundbogenfenster, jedes 3,10 x 1,20 m, bleigefasstes, teilweise farbiges Glas 

Saarbrücken, Selgrad, Ehrenmal

Letzte Änderung: 26/03/2012

Ferdinand Selgrad

"Unseren toten Bergleuten", 1964

Ehrenmal, drei Rundbogenfenster, farbige Bleiverglasung, je 3,10 x 1,20 m, signiert und datiert unten rechts

Ausführung: Firma Wilhelm Derix, Rottweil (Neckar)

Ehemaliges Bergwerksdirektionsgebäude, Triererstraße 1, Saarbrücken

 

Am 7. Februar 1962 kam es in der Grube Luisenthal zu dem schwersten Unglück in der Geschichte des Steinkohlebergbaus an der Saar. Durch eine Schlagwetterexplosion wurden 298 Bergleute getötet. Dieser Unglücksfall bewegte den Vorstand der Saarbergwerke AG zu dem Entschluss, ein Ehrenmal zum Gedenken an alle Saarbergleute, "die in Ausübung ihres Berufes den Bergmannstod gefunden haben" (Spilker 1964, S. 15), einzurichten.

 

Als Ort für dieses zentrale Erinnerungsmal wählte man das Verwaltungsgebäude der Saarbergwerke AG, das historische Gebäude der Königlich-Preußischen Bergwerksdirektion, die zwischen 1815 und 1918 den Kohlebergbau in diesem Teil der Rheinprovinz organisiert und geleitet hatte. Das repräsentative, stadtbildprägende Gebäude geht auf einen Entwurf der Berliner Architektengemeinschaft Martin Gropius und Heino Schmieden zurück. Es wurde zwischen 1877 und 1880 erbaut.

 

Zur Erlangung des Ehrenmals wurde ein Arbeitskreis eingesetzt, der als angemessenen Platz für das Gedenkzeichen eine Fensterreihe auf dem ersten Podest der Haupttreppe erkannte. Vom Haupteingang kommend, gelangt man über das Vestibül in ein über polygonalem Grundriss komplex angelegtes Treppenhaus, dessen repräsentativer, dabei leicht und licht wirkender Raumeindruck entscheidend durch die filigran ornamentierten Geländer der dreiläufigen Eisentreppe mitbestimmt ist. Deren Hauptarm läuft auf die nordwestliche, an der Hofseite gelegene Wand zu, die über den beiden Wendepodesten jeweils durch eine Fensterreihe durchbrochen ist. Jede Fensterreihe besteht aus drei auf der tiefen Brüstung aufsetzenden Rundbogenfenstern, die durch basierte Wandpfeiler von einander getrennt, jedoch durch ein die drei Bögen nachzeichnendes Profil überfangen und zu einer Einheit zusammengezogen werden. Für die Aufnahme des Ehrenmals in Form eines Triptychons bietet sich das Drillingsfenster des unteren Podestes, zu dem man vom Eingang kommend direkt emporsteigt, geradezu an.

 

Ein beschränkter Wettbewerb, zu dem sechs saarländische Künstler und sechs Künstler von außerhalb eingeladen wurden, erbrachte insgesamt 15 Entwürfe. Aus der Vorauswahl des Arbeitskreises entschied sich der Vorstand der Saarbergwerke AG für den Entwurf von Ferdinand Selgrad. Der aus Neunkirchen/Saar gebürtige und in Kaiserslautern, Saarbrücken und Paris ausgebildete Selgrad arbeitete damals als freier Künstler und war durch Glasfenster, Mosaike, Reliefs und Wandmalereien für Kirchen und öffentliche Gebäude hervorgetreten.

 

Selgrad stellt den toten Bergmann in das Zentrum der figürlichen Darstellung, umgeben von der hinterbliebenen Familie und Bergmannskollegen. Im Mittelfenster hält die Frau den schweren, leblosen Körper des Toten mit den schlaff herunterhängenden Armen. Sein weißer Schutzhelm und die umgefallene, erloschene Grubenlampe liegen auf der Erde. Im rechten Fenster stehen die beiden trauernden Kinder, denen die Schutzpatronin der Bergleute, die Heilige Barbara an die Seite gestellt ist. Im linken Fenster schließlich halten zwei Bergmänner mit leuchtenden Lampen die Ehrenwache. Sie tragen ihre Festtagsuniformen, erkennbar an den hohen Hüten mit den roten Federbüschen; die rechte Figur ist zusätzlich durch einen Häckel ausgezeichnet. Blau ist die vorherrschende Farbe des Triptychons. Ein dunkles, in zwei horizontalen Streifen für den Hintergrund eingeführtes Rot verbindet die Fensterbahnen, aber auch das gemeinsame Motiv der Fördergerüste, deren Räder in Schwarz hinter den Köpfen der Figuren erscheinen. Den vornehmlich dunklen Farben und der fahlen Blässe von Gesichtern, Armen und Händen setzt Selgrad einen tröstlichen, hoffnungsvollen, warmen Gelbton entgegen, der insbesondere in den Lampen der Bergleute und dem Turm der Heiligen Barbara leuchtet und die Haare der Lebenden erhellt.

 

"Dieses Gesamtbild sollte jedermann, der das Gebäude durch den Eckpavillon betritt und dessen Blick nahezu zwangsläufig auf den ersten Absatz des dreiarmigen Treppenhauses gelenkt wird, daran erinnern, dass der Tod ein ständiger Begleiter des Bergmanns bei seiner täglichen Arbeit ist, dass er Witwen und Waisen hinterlässt. Dieser von Selgrad beabsichtigten Wirkung kann sich der Betrachter auch nicht entziehen, und so konnte auf das Hilfsmittel einer zusätzlichen Beschriftung, wie in den Ausschreibungsbedingungen erwünscht, völlig verzichtet werden." (Scharwath 2003, S.54)

 

Das Gebäude der ehemaligen königlich-preußischen Bergwerksdirektion dürfte noch immer zu den stärksten Identifikationsorten des Saarlandes gehören. Auch auf der aktuellen Denkmalliste des Saarlandes (Stand 11. Oktober 2010) ist das Bauwerk von Gropius und Schmieden weiterhin als Einzeldenkmal innerhalb des Ensembles Triererstraße ausgewiesen, obwohl es unter erheblichem Substanzverlust umgebaut und in den Komplex einer im Oktober 2010 eröffneten Einkaufs- und Erlebnisgalerie einbezogen wurde. Der Umbau bedeutete eine weitgehende Entkernung des historischen Gebäudes; seine Fassaden und das Treppenhaus blieben größerenteils erhalten und wurden in den neuen Galeriekomplex einbezogen. Der Hof, von dem aus die farbigen Glasfenster von Ferdinand Selgrad das Sonnenlicht erhielten, wurde zu einem Innenraum ungewandelt, der ebenso wie das Treppenhaus künstlich beleuchtet wird. Die veränderten Lichtverhältnisse nehmen der Bleiverglasung viel von ihrer Leuchtkraft und erschweren die Wahrnehmung der figürlichen Darstellung.

 

Ob in dem entscheidend veränderten Kontext das Triptychon "Unseren toten Bergleuten" von den Kunden, die auf dem Weg zu einer Buchhandlung mit Café das dunkel gewordene Fenster passieren, thematisch erkannt und in seinem Anliegen noch verstanden werden kann, erscheint zweifelhaft.

 

 

Bibliografie (Auswahl)

  • wsp (Werner Spilker): Unseren toten Bergleuten. Entwürfe für ein Ehrenmal im Treppenhaus des Hauptverwaltungsgebäudes der Saarbergwerke AG. In: Schacht und Heim, Heft 4, 1964, S. 15-18
  • s (Werner Spilker ?): Das Ehrenmal. Die Glasmalerei "Unseren toten Bergleuten" von Ferdinand Selgrad ist im Hauptverwaltungsgebäude angebracht worden. In: Schacht und Heim, Heft 5, 1965, S. 15-16
  • Martin Klewitz: Das Direktionsgebäude der Saarbergwerke im Wandel der Jahrzehnte. In: Saarbrücker Hefte 43, 1976, S. 35-41; erschienen auch in: Die Hauptverwaltung der Saarbergwerke AG, Saarbrücken 1981, S. 59-65
  • Hans-Christoph Dittscheid: Die Bergwerksdirektion - ein Zeugnis preußischer Architektur in Saarbücken. In: Saarbrücker Hefte 43, 1976, S. 19-34; erschienen auch in: Die Hauptverwaltung der Saarbergwerke AG. Saarbrücken 1981, S. 21-58
  • Saarbergwerke AG (Hg.): Die Hauptverwaltung der Saarbergwerke AG. Saarbrücken 1981
  • Neues Kleid für die Saarbrücker Bergwerksdirektion. Interview mit Dr. Josef Baulig, Städtischer Konservator in Saarbrücken. In: Saarberg 6, 1995, S. 32-33
  • Jo Enzweiler (Hg.): Kunst im öffentlichen Raum Saarland. Band 1, Saarbrücken, Bezirk Mitte 1945 bis 1996. Saarbrücken 1997, S. 305
  • Delf Slotta: Bergmännisches Triptychon als Blickfang. Wahrzeichen des Saarbergbaus (20): Das Glasgemälde der Bergwerksdirektion Saarbrücken. In: Steinkohle, Heft 1, 2003, IV
  • Zwischen Tradition und Moderne. Gebäude der RAG Saarberg AG im Wandel der Zeit. Herausgegeben vom Vorstand der RAG Saarberg AG. Essen 2003
    darin:
    - Marlen Dittmann: Das Baukunstwerk Bergwerksdirektion. Denkmal des Bergbaus - Identifikationsmal in der Stadt, S. 9-30
    - Berthold Schmitt: "Ehre dem Bergmann, dem braven Mann!" - Der Figurenschmuck der Bergwerksdirektion, S. 31-49
    - Günter Scharwath: "Unseren toten Bergleuten" - Die Glasmalereien von Ferdinand Selgrad, S. 51-58

 

 

Oranna Dimmig


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