Ottweiler Porzellan, Deckelterrine, um 1769/70. Abbildung aus: Scharwath, 1999, S. 26

Ottweiler Porzellan, Deckelterrine, um 1769/70 

Ottweiler Porzellan, Unterplatte, um 1769/70. Abbildung aus: Scharwath, 1999, S. 29

Ottweiler Porzellan, Unterplatte, um 1769/70 

Fürstlich Nassau-Saarbrückische Porzellanmanufaktur Ottweiler, Deckelterrine

Letzte Änderung: 26/11/2006

Die Deckeltrrrine aus der Fürstlich Nassau-Saarbrückischen Porzellanmanufaktur Ottweiler

 

Es war eine ovale Deckelterrine, nach Vorlage von Johannes Esaias Nilson von Friedrich Carl Wohlfahrt bemalt, im Boden mit einer "N.S."-Marke versehen, die im Jahre 1908 zur Wiederentdeckung der Fürstlich Nassau-Saarbrückischen Porzellanmanufaktur in Ottweiler durch den Direktor des Museums für Kunst und Gewerbe zu Hamburg, Justus Brinckmann, geführt hat. Johannes Esaias Nilson aus Augsburg (1721-1788) hatte die Kunst des Miniaturmalens und das Handwerk des Kupferstechens erlernt. Nach dem Tod seines Vaters 1751 betreib er einen schnell anwachsenden Kunstverlag, der neben der seinerzeit üblichen Gebrauchsgrafik vor allem seine eigenen Stiche mit Erfolg vertrieb. Im Jahr 1764 wurde er zum "Kurpflälzischen Hofmaler" ernannt. 1766 wurde er als "magister liberalium artium" in die Kaiserlich Französische Akademie zu Augsburg aufgenommen. Durch seinen Fleiß und die Qualität seiner Werke errang er den Ruf, einer der fruchtbarsten Meister des weltlich orientierten Rokoko in Deutschland zu sein. Die von I bis LXIX nummerierte Folge von 202 Genrestichen, die er in Fortsetzung herausgab, übte eine nachhaltigen Einfluss auf den Bilddekor der zeitgenössischen Porzellanmanufakturen aus. Dem überwiegenden Teil seiner Stiche liegen eigene Entwürfe zugrunde, Einflüsse von Boucher, Huet, Riedinger oder auch Rugendas sind naturgemäß unverkennbar in seinem Werk vorhanden.

 

Von Carl Friedrich Wohlfahrt weiß man, dass er aus Ellwangen stammt, das Jahr seiner Geburt blieb jedoch ebenso unbekannt, wie der Ort und die Meister seiner Lehrjahre. Offensichtlich führte er das Leben eines Wanderkünstlers, der von Manufaktur zu Manufaktur zog, um seine künstlerischen Fähigkeiten zusammen mit seiner Arbeitskraft zu verkaufen. Im Oktober des Jahres 1765 war er bei der Mainzer Kurfürstlichen Manufaktur zu Höchst als Porzellanmaler angestellt worden. Nach drei Monaten verließ er Höchst und zog weiter an die Kurfürstliche Manufaktur nach Frankenthal, um dort als Miniaturmaler zu arbeiten. Dort blieb er über ein Jahr, bis er im März des Jahres 1767 nach Kelsterbach weiterwanderte, um an der Manufaktur des Landgrafen von Hessen-Darmstadt tätig zu sein. Ein halber Jahr später findet man ihn an der neugegründeten Pfalz-Zweibrücker Manufaktur in Gutenbrunn wieder, wo er überwiegend als Blumenmaler auf Porzellan beschäftigt wurde. Im Frühherbst 1768 begab er sich dann in die wenige Kilometer entfernt liegende Manufaktur der Fürsten von Nassau-Saarbrücken zu Ottweiler. Hier betätigte er sich nahezu ausschließlich als Genre- und Landschaftsmaler nach Vorlagen von Nilson. Bis zu seinem Weggang im Jahre 1770 ist übrigens kein anderer Porzellanmaler neben ihm in Ottweiler nachweisbar. Er ging wieder nach Höchst zurück, wurde dort zum Inspektor der Manufaktur bestellt und verblieb bis 1977 in dieser Position. Danach verliert sich seine Spur; sein Sterbeort und -jahr blieben bislang unbekannt.

 

Der angesehene Porzellansammler Otto Blohm aus Hamburg hatte 1907 dem Museum für Kunst und Kunstgewebe seiner Heimatstadt eine Deckelterrine zum Geschenk gemacht, die man zunächst, der Ansicht des British Museum folgend, der Manufaktur Doccia bei Florenz zuordnete. Justus Brinckmann, der damalige Direktor des Hamburger Museums, beschäftigte sich jedoch eingehend mit dem Neuzugang seiner Sammlung. Die Ergebnisse seiner Nachforschungen veröffentlichte er im "Bericht des Museums für Kunst und Gewerbe in Hamburg für das Jahr 1908". Dabei stellte er fest, dass die Herstellung und die Masse der Terrine unzweifelhaft auf eine kleine fürstliche Manufaktur in Deutschland hinweisen. Die Vorlagen für die Bemalung fand er bei dem Augsburger Ornamentstecher Johannes Esaias Nilson. Die Signatur der Malerei "Wolfart pinxit" bezeugte eindeutig den Wanderkünstler Carl Friedrich Wohlfahrt als ihren Urheber. Die Bodenmarke "N.S." endlich ermöglichte es, die Terrine des Manufaktur Nassau-Saarbrücken zuzuweisen, deren Porzellanproduktion damit bedeutungsvoll belegt werden konnte.

 

Karl Lohmeyer veröffentlichte im Jahr 1924 erstmals eine Geschichte der Porzellanmanufaktur zu Ottweiler, in der er die Geschichte der fürstlichen Manufaktur von ihrer Gründung im Dezember 1763 bis hin zu dem durch die Truppen der Französischen Revolution 1794 bedingten Untergang eingehend schilderte und den äußeren hohen Qualitätsstandard der in Ottweiler hergestellten Erzeugnisse in Form und Dekor eindrucksvoll nachweisen konnte. Vom damaligen Leiter des Heimatmuseums der Stadt Saarbrücken, Hermann Keuth, wurden ab dem Jahr 1925 praktisch alle erreichbaren Porzellane der Manufaktur Ottweiler angekauft. Seine Sammeltätigkeit wurde nach dem Zweiten Weltkrieg auch von seinem Nachfolger im Amt, Rudolf Bornschein, fortgesetzt, so dass die Alte Sammlung des Saarland Museums heute über die weltweit umfangreichste Sammlung dieser seltenen und qualitätvollen Porzellane aus Ottweiler verfügt.

 

Unsere Deckterrine wurde zusammen mit ihrer zugehörigen Unterplatte 1931 von dem in Worms ansässigen Kunsthändler Markus erworben. Beide Teil tragen die Aufglasur-Goldmarke "N.S." und sind auf den beiden Korpus- und Deckelseiten mit je einer figurenstaffierten Landschaft von Friedrich Carl Wohlfahrt bemalt worden. Ein für die Manufaktur in Ottweiler typisches, sparsames Goldrocaille umgibt die Malerei nach den Vorlagen von Nilson. Mit einem nach rechts aufgestützten liegenden Putto mit Füllhorn wird der Deckel bekrönt; ein Gegenstück befindet sich übrigens im Museum zu Oldenburg. Eine weitere Bodenplatte wurde 1961 auf einer Auktion bei Sotheby in London für das Saarland Museum ersteigert. Sie stammt aus dem Besitz von Otto Blohm und gehörte wohl ursprünglich zu der in Hamburg aufbewahrten, ovalen Deckterrine, zumal die Malerei in beiden Fällen auf die Vorlage XXVII von Nilson, "Die Tageszeiten", zurückzuführen ist, die "le travail" und "le repos" allegorisch darstellen. Auf der gleichen Auktion wurde auch eine von Wohlfahrt bemalte Kaffeekanne erworben, die ebenfalls aus der Sammlung Blohm kommt. Wohlfahrt hat der Malerei die Nilson-Vorlage XVI zugrunde gelegt, die unter dem Titel "L'amour triomphant" die Komödienfiguren des Pantaleone, des Scaramouche und der Columbine in einer Parklandschaft abbildet; auch diese Kanne ist in der ständigen Sammlung der "Alten Sammlung" ausgestellt.

 

Günter Scharwath

 

 

Bibliografie

  • Günter Scharwath: Miniaturen zur Kunst- und Kulturgeschichte der Saarregion. Saarbrücken 1999, Seite 27-30

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