Abbildung 1: "Dillinger Triptychon", erste Hälfte 16. Jh., Mitteltafel: Anbetung der Magier, Öl auf Holz, 88 x 56 cm, Seitentafeln: Verkündigung, 88 x 26 cm, Geburt Christi, 88 x 26 cm. Foto: Rudolf Schneider, Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum Trier

Abbildung 1: "Dillinger Triptychon", erste Hälfte 16. Jh., Mitteltafel: Anbetung der Magier, Öl auf Holz, 88 x 56 cm, Seitentafeln: Verkündigung, 88 x 26 cm, Geburt Christi, 88 x 26 cm 

Abbildung 2: Lucas van Leyden, Die Anbetung der Könige, um 1510. Foto aus: Max J. Friedländer: Von Eyck bis Bruegel. Studien zur Geschichte der Niederländischen Malerei. Berlin 1916, Tafel 30. Nach Friedländer befand sich das Bild 1916 in Chicago, Sammlung Ryerson

Abbildung 2: Lucas van Leyden, Die Anbetung der Könige, um 1510 

Abbildung 3: Pieter Coecke van Aelst, Auferstehung Christi, Nebukadnezar und die drei Männer im feurigen Ofen, Jona, vom Fisch ans Land gespien, um 1535, Mischtechnik auf Eichenholz, Mitteltafel 74 x 55 cm, Flügel je 74 x 23 cm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe. Foto aus: Ines Dresel, Dietmar Lüdke und Horst Vey (Hg.): Christus und Maria. Auslegungen christlicher Gemälde der Spätgotik und Frührenaissance aus der Karlsruher Kunsthalle. Ausstellungskatalog Staatliche Kunsthalle Karlsruhe 1992, Tafel IV, S. 12

Abbildung 3: Pieter Coecke van Aelst, Auferstehung Christi, Nebukadnezar und die drei Männer im feurigen Ofen, Jona, vom Fisch ans Land gespien, um 1535, Mischtechnik auf Eichenholz, Mitteltafel 74 x 55 cm, Flügel je 74 x 23 cm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe 

Abbildung 4: Pieter Coecke van Aelst, Anbetung der Magier, Altarbild, um 1540, Öl auf Eichenholz, 105 x 68 cm, Staatliche Museen Berlin. Foto: wikipedia.org/wikipedia/commons

Abbildung 4: Pieter Coecke van Aelst, Anbetung der Magier, Altarbild, um 1540, Öl auf Eichenholz, 105 x 68 cm, Staatliche Museen Berlin 

Abbildung 5: Werkstatt Pieter Coecke van Aelst, Anbetung der Magier, 1520-50, Mittelbild eines Triptychons, Öl auf Holz, 88 x 123 cm, Rijksmuseum Amsterdam. Foto: Web Gallery of Art

Abbildung 5: Werkstatt Pieter Coecke van Aelst, Anbetung der Magier, 1520-50, Mittelbild eines Triptychons, Öl auf Holz, 88 x 123 cm, Rijksmuseum Amsterdam 

Abbildung 6: Werkstatt Pieter Coecke van Aelst, Triptychon, Öl auf Holz, Mittelbild: Anbetung der Magier, 79 x 57 cm, Seitentafeln: Magier und Josef, 79 x 26 cm, Privatsammlung. Foto: Web Gallery of Art

Abbildung 6: Werkstatt Pieter Coecke van Aelst, Triptychon, Öl auf Holz, Mittelbild: Anbetung der Magier, 79 x 57 cm, Seitentafeln: Magier und Josef, 79 x 26 cm, Privatsammlung 

Abbildung 7: Jan van Dornicke, Triptychon, Öl auf Holz, Mittelbild: Anbetung der Magier, 118 x 85,8 cm Seitentafeln: Geburt Christi und Flucht nach Ägypten, je 118 x 43 cm. Foto: www.kunstmarkt.com

Abbildung 7: Jan van Dornicke, Triptychon, Öl auf Holz, Mittelbild: Anbetung der Magier, 118 x 85,8 cm Seitentafeln: Geburt Christi und Flucht nach Ägypten, je 118 x 43 cm 

Abbildung 8: "Dillinger Triptychon", erste Hälfte 16. Jh., Mitteltafel: Anbetung der Magier, Öl auf Holz, 88 x 56 cm. Foto: Rudolf Schneider, Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum Trier

Abbildung 8: "Dillinger Triptychon", erste Hälfte 16. Jh., Mitteltafel: Anbetung der Magier, Öl auf Holz, 88 x 56 cm 

Abbildung 9: "Dillinger Triptychon", erste Hälfte 16. Jh., linke Seitentafel: Verkündigung, 88 x 26 cm. Foto: Rudolf Schneider, Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum Trier

Abbildung 9: "Dillinger Triptychon", erste Hälfte 16. Jh., linke Seitentafel: Verkündigung, 88 x 26 cm 

Abbildung 10: "Dillinger Triptychon", erste Hälfte 16. Jh., rechte Seitentafel: Geburt Christi, 88 x 26 cm. Foto: Rudolf Schneider, Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum Trier

Abbildung 10: "Dillinger Triptychon", erste Hälfte 16. Jh., rechte Seitentafel: , Geburt Christi, 88 x 26 cm 

Coecke van Aelst, Pieter (Umkreis): "Dillinger Triptychon"

Letzte Änderung: 23/04/2012

Mit dem so genannten "Dillinger Triptychon" (Abbildung 1 und 8-10) besitzt die Pfarrgemeinde Hl. Sakrament in Dillingen/Saar ein Gemälde, das als eines der höchst geschätzten Kunstwerke im Saarland gilt. Das dreiteilige, aus einem Mittelstück und zwei schmalen Flügeln bestehende Ensemble stellt Szenen aus der Weihnachtsgeschichte dar: Im Zentrum ist die "Anbetung des Kindes durch die drei Weisen" zu sehen, die linke Darstellung zeigt die "Verkündigung", die rechte die "Geburt Jesu". Die 88 cm hohen und 56 bzw. 26 cm breiten Holztafeln fügen sich zu einem relativ kleinformatigen Altarbild zusammen, welches - auf den Außenseiten ungestaltet - offensichtlich nicht für einem großen Kirchenraum gedacht, sondern eher zum privaten Gebrauch bzw. für die Aufstellung in kleinen Kapellen und Andachtsräumen bestimmt war.

Von Kennern in das 16. Jahrhundert datiert, ist das kostbare Bildwerk zu seinem Schutz nur an bestimmten Tagen im Jahr - zu Weihnachten und am Dreikönigstag - im "Saardom" ausgestellt.

Zwei grundlegende Fragen beschäftigen seit langem die Forschung. Sie beziehen sich auf die Urheberschaft und die Herkunft des Kunstwerks. Gesichert ist zumindest, dass es sich bei dem unbekannten, durch keinerlei Signatur gekennzeichneten Künstler um einen Vertreter der altniederländischen Malerei – der Begriff bezieht sich auf die in den heutigen Niederlanden, Belgien und Burgund entstandene Tafelmalerei des 15. und 16. Jahrhunderts – handelt, wobei in der Forschung unterschiedliche Namen auftauchen.

 

Als ausgesprochen populär erwies sich lange Zeit die Zuschreibung an den Maler und Kupferstecher Lucas van Leyden (1494-1533). Sie geht auf den pfälzischen Theologen und Kunsthistoriker Franz Klimm (1881-1952) zurück. Klimm sah in dem Dillinger Altarbild ein Frühwerk des niederländischen Künstlers aus der Zeit zwischen 1516 und 1520 (Sonnet, 1959, S. 252) und setzte es in Beziehung zu einem in München aufbewahrten Werk van Leydens von 1517. (Sonnet, 1959, S. 258, Anm. 4) Um welches Bild des Niederländers es sich hierbei handeln soll, bleibt allerdings unklar, zumal sich die Datierungen der beiden für van Leyden gesicherten "Münchner Gemälde" - sie befinden sich in der Sammlung der Alten Pinakothek - nicht bzw. nicht genau auf die sehr präzise Zeitangabe 1517 beziehen lassen. Während die ursprünglich als Diptychon konzipierte Darstellung "Maria mit dem Kind, die Hl. Maria Magdalena und ein Stifter" die Jahreszahl 1522 trägt, besitzt die "Verkündigung an Maria" - die bis 1874 die Rückseite des rechten Altar-Flügels schmückte - keinerlei Kennzeichnung. Das Gemälde wird allgemein in das erste Drittel des 16. Jahrhunderts datiert.

Lucas van Leyden wurde 1494 als Sohn eines Malers im niederländischen Leiden geboren, wo er 1533 auch verstarb. Schon in jungen Jahren erhielt der Frühbegabte Unterricht von seinem Vater, bevor er bei Cornelis Engelbrechtsz in die Lehre ging. Als prägend für sein Schaffen erwies sich die Bekanntschaft mit dem graphischen Werk Albrecht Dürers und es ist bezeugt, dass er den Maler aus Nürnberg 1521 in Antwerpen sogar persönlich kennen lernte. Auch die Begegnung mit Jan Gossaert blieb nicht ohne Einfluss auf sein Werk. Van Leyden soll auf einer Reise durch Belgien um 1527 mit dem niederländischen Maler zusammengearbeitet haben (Hauck, 1961, S. 6). Da die wenigen erhaltenen Gemälde van Leydens überwiegend undatiert und auch in ihrer Qualität nicht einheitlich sind, ist es schwierig, eine schlüssige Chronologie seines malerischen Oeuvres zu erstellen.

Die These von der Autorschaft Lucas van Leydens aufgreifend, stellt Marie Luise Hauck in einem 1961 in der Zeitschrift "Saarheimat" erschienenen Beitrag stilistische Vergleiche zwischen dem Gemälde in Hl. Sakrament und drei thematisch verwandten Altartafeln von der Hand des Niederländers aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts an. (Hauck, 1961, S. 2-9). Bei den von Hauck zum Vergleich ausgewählten Werken handelt es sich zum einen um das Mittelbild eines Flügelaltars mit der "Anbetung der Könige" aus der Barnes Foundation in Meryon/Philadelphia (um 1510), des weiteren um ein Altarbild desselben Themas aus der Sammlung Ryerson in Chicago (um 1519) (Abbildung 2) und schließlich um das oben erwähnte Diptychon aus der Alten Pinakothek in München mit der Darstellung der "Verkündigung" (1522). Hier beobachtet die Kunsthistorikerin gewisse Übereinstimmungen in der Gestaltung des Bildhintergrundes wie auch in der Anordnung der drei Hauptfiguren und stellt - insbesondere im Vergleich mit dem Altarbild aus der Sammlung Ryerson in Chicago - einige "Ähnlichkeiten in den Details - so z.B. Gesicht und Kopfhaltung der Maria, Profil des Mohrenkönigs" fest. Doch kommt sie letztlich zu dem Ergebnis, dass "eher Unterschiede als Gemeinsamkeiten" zwischen dem Werk des holländischen Malers und dem des Meisters des Dillinger Triptychons zu verzeichnen seien und hält es, nicht zuletzt aufgrund der allgemein bestehenden Schwierigkeit, das Oeuvre des aus Leiden stammenden Künstlers eindeutig zu fassen, für "unmöglich, dessen Autorschaft zu beweisen." (Hauck, 1961, S. 9) Bestenfalls "eine Ähnlichkeit" mit Künstlern wie Quinten Massys (1466-1530), Henri met de Bles (um 1520), Gerard David (1450-1460) oder Rogier van der Weyden (1399/1400-1464) zugestehend, hält Marie-Luise Hauck eine Zuordnung auch zu einem anderen der zahlreichen Maler der Zeit für äußerst problematisch. Demnach stellt die Forscherin auch die Annahme von Walther Zimmermann in Frage, derzufolge der Meister des Dillinger Triptychons einem Vertreter der Brüsseler Schule aus der Nachfolge des Barend von Orley nahe stehen soll (Zimmermann, 1934, S. 19; Zimmermann hat den 1930er Jahren erstmals die Kunstdenkmäler des Landkreises Saarlouis inventarisiert).


Der Hinweis von Walther Zimmermann auf die Brüsseler Schule führt jedoch in den Umkreis eines weiteren Malers, der mit dem Dillinger Triptychon in Verbindung gebracht wird: Des aus Belgien stammenden Pieter Coecke van Aelst (1502-1550) (erwähnt bei: Meisser und Hahn, 2009, S. 9). Dieser sei, so berichtet Carel von Mander (1548-1606) in seinem berühmten "Schilder-Boeck" von 1604, ein Schüler Barend van Orleys (1491/92-1542) gewesen. Beide flämischen Maler hatten sich sowohl durch eigene Anschauung als auch anhand graphischer Vorlagen - Zeichnungen, Kartons und Kupferstichen - mit der zeitgenössischen italienischen Kunst vertraut gemacht. Sehr bewundert wurden van Orleys Tapisserieentwürfe, die den Einfluss des Südens, dabei vor allem den seines großen Vorbilds Raffael offenbaren. Auch Pieter Coecke ließ italienisches Formengut in sein Werk einfließen. 1502 im belgischen Aalst geboren, kam er zu Beginn der 1520er Jahre nach Antwerpen, wo er vermutlich als Geselle in der Werkstatt seines späteren Schwiegervaters Jan van Dornicke (um 1475 - um 1527) arbeitete. Nach einem Aufenthalt in Rom um 1524-25 übernahm der junge Maler die Werkstatt seines Meisters, ehelichte dessen Tochter und trat 1527 in die St. Lukas-Gilde in Antwerpen ein. 1533/34 führten ihn geschäftliche Belange nach Konstantinopel. Zu den Schülern Pieter Coeckes gehörte u.a. der Niederländer Pieter Bruegel der Ältere (1525/30-1569), der durch seine spätere Heirat mit Coeckes Tochter Mayken auch verwandtschaftlich mit seinem Lehrmeister verbunden war. 


Alles in allem scheint der Maler aus Flandern sehr umtriebig gewesen zu sein. Georges Marlier zeichnet in seiner groß angelegten Coecke-Monographie das Bild eines vielseitigen und weltoffenen "Renaissance-Künstlers", der sich nicht nur als Maler, Zeichner und Holzschneider, sondern auch als Übersetzer, Verleger und Architekt einen Namen machte (Krönig 1969, S. 47-57). Die Verbindung zu Barend van Orley jedoch sieht Max Friedländer vornehmlich in Coeckes Tätigkeit als Entwerfer von Glasfenstern und Bildteppichen begründet. Coecke, der möglicherweise "durch seine Beziehungen zur Brüsseler Webermanufaktur" mit dem in der brabantischen Hauptstadt ansässigen Tapisseriekünstler in Kontakt gekommen war, scheint seine letzten Lebens- und Schaffensjahre in Brüssel verbracht zu haben, wo er 1550 auch verstarb.

Ähnlich wie Barend Orley "schließt sich" Pieter Coecke "in Komposition und Körpergefühl der italienischen Hochrenaissance an." Friedländer hebt die lebendige Figurensprache, den kühn erfassten Tiefenraum sowie den flüssigen, sich in Windungen und Kurven aussprechenden Formwillen des flämischen Meisters hervor und es zeigt sich, dass Coeckes emotional bewegter Stil nicht nur in seinen Tapisserien, sondern auch in vielen seiner Tafelgemälde zum Ausdruck kommt. (Friedländer, 1935, S. 14 und 67)

So etwa in einem Triptychon aus der Zeit um 1535, das heute in der Staatlichen Kunsthalle in Karlsruhe aufbewahrt wird (Abbildung 3). Während die Seitentafeln alttestamentarische Szenen verbildlichen, steht im Zentrum der Darstellung die "Auferstehung Jesu". Der von Engeln gehaltene Christus steigt mit triumphaler Gestik und wehendem Mantel in einer Wolkengloriole zum Himmel auf. Wie von einem gewaltigen Wirbel erfasst, stürzen die Grabwächter zu Boden. Die aufgeblähten Gewänder der Soldaten verleihen ihrer seelischen Ergriffenheit beredten Ausdruck. Mit heftigen Bewegungen und Gesten umschreiben sie einen Raum, der sich jenseits der hell erleuchteten Vordergrund-Szenerie in einer Fernlandschaft fortsetzt.

Der Thematik entsprechend verhaltener, mutet die Figurensprache in einem Retabel mit der "Anbetung der Könige", an, das sich - wohl um 1540 entstanden - im Besitz der Staatlichen Museen in Berlin befindet (Abbildung 4). Coecke hat die ausschnitthaft wiedergegebene Szene dicht an den Betrachter herangeführt. Besondere Betonung liegt auf der Anbetungsgruppe mit Maria, Jesus und dem ältesten der drei Magier, der mit gefalteten Händen vor dem Kind niederkniet.

Die Dreiergruppe kehrt auf dem Mittelbild des Dillinger Flügelaltars in ganz ähnlicher Ausprägung wieder. Hier hat der Maler die Dargestellten noch näher an den vorderen Bildrand gerückt. Er unterstreicht auf diese Weise nicht nur die Intimität der Szene, sondern stellt auch eine große Nähe zu den Gläubigen her. Lediglich durch die am unteren Bildrand erscheinende niedrige Bank bleibt eine gewisse Distanz zu Mutter und Kind gewahrt. Farbigkeit und Lichtführung unterstützen die Komposition. So wird die Aufmerksamkeit des Betrachters unmittelbar auf die hellen Inkarnate der drei Hauptfiguren gelenkt: Der im Vordergrund sitzenden Maria, die dem links unten knienden Weisen das Christuskind zur Huldigung darbietet. Die Dargestellten sind in ein enges Beziehungsgeflecht eingebunden. Der linke Arm der Gottesmutter weist auf die im Zentrum der Darstellung präsentierte Gestalt Jesu, deren ausgestreckter rechter Arm zu dem Knienden überleitet. Dicht hinter diesem ragt die Figur des farbigen Magiers empor. Der im Harnisch wiedergegebene Fremde richtet sein Haupt zur Bildmitte hin, wo sich ihm die Gestalt des dritten Weisen entgegen neigt. Mit der Figur des Josef rundet der Maler die kreisförmige Komposition ab. Der bildeinwärts gerichtete Kopf des Zimmermanns schließt die intime Gruppe in sich zusammen. Unmittelbar dahinter erstreckt sich, nahezu übergangslos, eine Fernlandschaft von heimischem Charakter. Die Darstellungen auf den Seitentafeln sind ebenfalls auf das zentrale Geschehen hin konzentriert: Die beiden schräg gerichteten Marienfiguren flankieren quasi die auf der Mitteltafel erscheinende Gottesmutter. Als einzige der drei Jungfrauen trägt diese einen roten Mantel, auch dadurch unter den übrigen, vornehmlich blau gekleideten Figuren, besonders hervorgehoben.

Die Muttergottes der "Berliner Anbetung" trägt über ihrem blauen Kleid ebenfalls einen weich fließenden roten Mantel. In ein dem Dillinger Gemälde ähnliches Kompositionsmuster eingebunden, leitet sie mit Kopf und linkem Arm zu dem auf ihrem Schoß sitzenden Kind über. Dieses hat sich dem links unten knienden Magier zugewandt, der nun als Profilfigur wiedergegeben ist. Wie in der Dillinger Version hat auch er ehrfurchtsvoll sein Haupt entblößt. Den breitkrempigen Hut in den Nacken geschobenen, offenbart er seine Stirnglatze, die ihn als den ältesten der drei Magier kennzeichnet. Trotz deutlicher Entsprechungen in Komposition und Ausstattung sind zwischen den beiden Tafeln grundlegende Unterschiede zu beobachten. Sie betreffen vor allem die Figuren- und Raumgestaltung. So ist das vergleichsweise schlicht gehaltene Dillinger Andachtsbild strenger auf das kontemplative Moment der Verehrung Jesu ausgerichtet. Die Dargestellten haben sich hier zu einem dichten Gefüge zusammengeschlossen. In der Berliner Fassung hingegen umschreibt die eher locker zusammenhängende, kreisförmig angeordnete Gruppe eine Art Binnenraum, der auch den Mittelgrund mit einschließt. Stärker als Einzelfiguren wahrgenommen, bilden die Personen Distanzen zwischen sich aus, bleiben aber dennoch durch lebhafte Gesten und Blicke untereinander verbunden.

Diesen Beobachtungen zufolge scheint es schwierig, die Bildauffassung der "Dillinger Anbetung" auf den persönlichen Stil Pieter Coeckes zu beziehen; dies allein schon aufgrund der Figuren, die sich in ihrer gestischen Zurückhaltung von der emotionalen Bewegtheit der stärker im Raum agierenden Gestalten des Berliner Retabels unterscheiden. Dennoch gibt es Gründe, das Triptychon in die Nähe des flämischen Malers zu rücken, dessen Schaffen "nicht mehr wie bei den großen Meistern des 15. Jahrhunderts eine feste Mitte besitzt, im Sinn eines Kerns eigenhändiger Werke, sondern durch das Stilphänomen einer breiten Werkstatt-Produktion bestimmt ist" (Krönig, 1969, S. 47). Als viel beschäftigter Künstler und Leiter eines großen Betriebes war Coecke van Aelst bei der Ausführung seiner Aufträge auf die Unterstützung verschiedener Hilfskräfte angewiesen, woraus sich eine gewisse stilistische Vielfalt in der Umsetzung der Bildvorgaben ergibt.


Aus dem Umkreis des Meisters sind einige Gemälde bekannt, die nicht nur aufgrund ihrer Thematik, sondern auch in formaler Hinsicht mit dem Flügelaltar aus Dillingen eng verwandt erscheinen. Hierzu gehört etwa die Mitteltafel eines Triptychons aus dem Bestand des Amsterdamer Rijksmuseums (Abbildung 5). Das 88 x 123 cm große Ölgemälde wird in die Zeit zwischen 1520 und 1550 datiert. Von den Bildrändern stark überschnitten, sind die Hauptfiguren hier aus extremer Nähe erfasst, somit in ihrer Präsenz besonders betont. Figurenbildung und Komposition der Anbetungsgruppe zeigen auffallende Übereinstimmungen mit dem Gemälde aus Hl. Sakrament. Ganz ähnlich etwa der mädchenhafte Typus der Gottesmutter mit dem flächigen Gesicht und den welligen, hinter den Ohren herabfallenden Haaren. Die Finger Marias umspielen auch hier zärtlich die linke Hand des auf ihrem Schoß sitzenden Knaben, der sich - nun mit segnendem Gestus - dem anbetenden Magier am linken unteren Bildrand zuwendet. Mit Stirnglatze und zurückgeschobenem Hut entspricht der Kniende ganz dem Erscheinungsbild des Weisen auf dem "Dillinger Triptychon". Überdies erkennen wir den kostbaren Hermelinkragen wieder, der hier wie dort ein gelbes Brokatgewand ziert. Zwar lassen die im Vergleich zur "Dillinger Anbetung" etwas praller geformten Figuren darauf schließen, dass die zwei Fassungen von verschiedenen Malern ausgeführt wurden, doch legen die übrigen Übereinstimungen zwischen beiden Versionen eine gemeinsame Bildvorlage nahe. Auch der bärtige, Turban tragende Magier, der seine Gabe in einem kunstvoll gearbeiteten goldenen Gefäß darbringt, kehrt auf dem Gemälde aus Amsterdam wieder. Er erhebt sich gleich hinter der dicht gefügten Dreiergruppe, die der Maler in einen sehr engen räumlichen Rahmen hineingestellt hat. Darüber hinaus zeigt sich die enge Verwandtschaft mit dem Raumempfinden des Dillinger Meisters in dem nahezu unvermittelten Anschluss des landschaftlichen Hintergrunds.

Der Bildentwurf der im Rijksmuseum aufbewahrten "Anbetung" wiederholt sich in verblüffend ähnlicher Weise auf einem weiteren Altargemälde, das dem nahen Umkreis des Pieter Coecke zugeschrieben wird. Es handelt sich hierbei ebenfalls um den Mittelteil eines Triptychons (89 x 57 cm) mit der Darstellung der "Anbetung" - heute in einer Privatsammlung aufbewahrt (Abbildung 6). Die dicht zusammengeschlossene Hauptgruppe mit Maria, Jesus und den beiden Magiern fügt sich in ein fast identisches Kompositionsschema ein. Ganz ähnlich auch die Ausstattung der Dargestellten sowie die Gestaltung der im Hintergrund gezeigten Landschaft. Abweichend erscheint allerdings die Bildung der Figuren, die etwas schmalgliedriger als die der Amsterdamer Tafel anmuten. Hier fällt besonders das fein geschnittene ovale Antlitz der Gottesmutter auf. An seiner linken Seite von einer breiten Schattenkante gesäumt, ähnelt es in Form und Ausführung dem Gesicht der Maria vom linken Seitenflügel des "Dillinger Triptychons". An das Gemälde aus Hl. Sakrament erinnert auch die niedrige, an den vorderen Bildrand heran geschobene Bank, auf der der kniende Magier sein Salbgefäß abgestellt hat.

Ganz offensichtlich gehörte die "Anbetung der Weisen" zu den häufigeren Bildthemen in der Werkstatt des Pieter Coecke. Wie Georges Marlier darlegt (Marlier, 1966, S. 54), gehen die zahlreichen Varianten der Anbetung - teils von Coecke selbst ausgeführt, teils als Werkstatt-Repliken erhalten - letztlich auf Bildkompositionen seines Lehrmeisters Jan van Dornicke zurück, mit dessen Werkstatt Coecke seit jungen Jahren eng verbunden war. Ein kurzer Blick auf ein Triptychon von der Hand des Jan van Dornicke mit der "Anbetung der Könige, der Geburt Christi und der Flucht nach Ägypten" (Abbildung 7) bestätigt die Verwandtschaft zu den oben betrachteten Versionen. So sehen wir bereits hier die typische Konstellation der Hauptfiguren wie auch viele Details - etwa das auf einer Windel präsentierte Kind oder die prächtige Kleidung des barhäuptigen Weisen, der seinen Hut in den Nacken geschoben hat - vorgebildet.

 

Ein großes Rätsel gibt nach wie vor die Herkunft des Triptychons auf. Da offensichtlich keine Quellen bekannt sind, die belegen, wie und wann der Kunstschatz nach Dillingen gekommen ist, bleibt die Forschung auf Vermutungen und mündliche Überlieferung angewiesen. So zieht Walther Zimmermann die Möglichkeit in Betracht, dass der kleine Flügelaltar einst auf dem Handelsweg in die Hüttenstadt gelangte (Zimmermann, 1934, S. 19). Die meisten Autoren vertreten jedoch eine andere These. Dieser entsprechend soll das Bildwerk gegen Ende des 17. Jahrhunderts von jenen Hüttenarbeitern aus der Gegend um Lüttich mitgebracht worden sein, die, von den Lenoncourt angeworben, in dem saarländischen Eisenwerk Beschäftigung gefunden hatten. Über die fremden Arbeiter möglicherweise in den Besitz der Hütte übergegangen, gehörte das Andachtsbild im Folgenden zur Ausstattung der Dillinger Schlosskapelle. Wohl 1787 ging es durch Schenkung an den damaligen Pfarrer Johann Michael Theis. Nach dessen Tod im Jahre 1804 wurde das Gemälde der katholischen Kirchengemeinde Dillingen überantwortet und hing bis 1846 im Chor der alten Luzienkirche. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts in die Odilienkapelle überführt, kam es nach deren Abbruch (1912) in den 1913 fertig gestellten Saardom. Danach galt es lange Zeit als vermisst, bis es schließlich in den 1950er Jahren von Pastor Alois Winkel in stark beschädigtem Zustand "auf dem Dachboden" wieder aufgefunden wurde (Steffens, 2005).

Angesichts der vielen Umwege, über die das "Dillinger Triptychon" nach Hl. Sakrament gelangte, verwundert es nicht, dass das Kunstwerk im Laufe der Zeit nicht unerhebliche Blessuren davongetragen hat. Schon 1934 gibt Walther Zimmermann in seinem Buch über "Die Kunstdenkmäler der Kreise Ottweiler und Saarlouis" an, der kleine Altar habe "durch Einwirkung von Hitze … sehr gelitten" (Zimmermann, 1934, S. 177) und noch rund zwanzig Jahre später beklagt der aus Güdingen stammende Kunstmaler Ernst Sonnet den "zerfallenden Zustand" des Gemäldes. Sonnet, der das Triptychon 1954/55 zum ersten Mal Instand setzte, legt in seinem "Bericht zur Restaurierung des dreiteiligen Altarbildes zu Dillingen" vom 12. März 1955 die zahlreichen Beschädigungen dar, die das Gemälde im Laufe der Zeit erlitten hatte. Er erwähnt etwa die Sprünge und Risse in den Holztafeln, geht auf die durch Feuchtigkeit gelöste, teilweise sogar abgeplatzte Farbschicht ein und berichtet von gravierenden, vor allem den Mittelteil betreffenden Übermalungen. Detailliert beschreibt Sonnet den Prozess der Befestigung, Reinigung und Instandsetzung des Gemäldes. Oberstes Ziel sei hierbei gewesen, "das Original in möglichst guter Weise wieder sichtbar zu machen, spätere Zutaten, die verfälschen, zu entfernen, den Erhaltungszustand zu sanieren und gegebenenfalls Fehlstellen so zu ergänzen, daß der ursprüngliche Bildeindruck wiederhergestellt erscheint." (Sonnet, 1959, S. 251f)

Nach der ersten Restaurierung durch Ernst Sonnet hat das "Dillinger Triptychon" noch eine weitere gründliche Überarbeitung erfahren. Sie wurde 1995 im Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseum Trier vorgenommen.
 
Die sorgfältigen und gewissenhaften Überarbeitungen im Dienste der Konservierung wie auch der Wiederherstellung des originalen Bildeindrucks haben die Voraussetzungen dafür geschaffen, ernsthafte stilistische Betrachtungen anstellen zu können. Von diesen ausgehend, repräsentiert das "Dillinger Triptychon" eine kunsthistorische Periode des Umbruchs. Es gehört, so fasst Marie-Luise Hauck zusammen, "zu der großen Gruppe der Bildwerke, die um die Wende vom Mittelalter zur Neuzeit - stilistisch gesprochen, von der vom niederländischen Realismus geprägten Spätgotik und der von Italien vordringenden Renaissance - gemalt wurden." (Hauck, 1961, S. 2) In seiner dreiteiligen Gestalt vertritt das Triptychon eine für die altniederländische Malerei typische Bildgattung und geht darüber hinaus auf eine Form des Altar- und Andachtsbildes zurück, die seit dem Mittelalter eine zentrale Stellung innerhalb der abendländischen Kunst innehatte.

Entstanden in einer Region, die "zu jener Zeit eine der reichsten und ein bedeutender Handelsplatz im nördlichen Europa" war, ist das Kunstwerk auch einem in geographischer Hinsicht sehr wichtigen Umfeld zuordnen, zumal sich die "in dieser Zeit aufstrebenden Städte Antwerpen und Brüssel … neben Gent, Löwen und Tournai zu einflussreichen Kulturzentren" entwickelten. (Neuner, 1995, S. 22)

Sehr wohl Zeugnis einer der fruchtbarsten künstlerischen Epochen der abendländischen Malerei ist und bleibt das dreiteilige Altarbild jedoch in erster Linie ein sichtbares Zeichen religiöser Andacht. Allseits hoch geachtet, verdankt das "Dillinger Triptychon" seine Beliebtheit nicht zuletzt der sensiblen und unprätentiösen Gestaltung eines der grundlegendsten Anliegen christlichen Glaubens überhaupt: der Anrufung und Verehrung Jesu.


Michaela Mazurkiewicz-Wonn



Bibliografie

  • Max J. Friedländer: Von Eyck bis Bruegel. Studien zur Geschichte der Niederländischen Malerei. Berlin 1916
  • Walther Zimmermann: Die Kunstdenkmäler der Kreise Ottweiler und Saarlouis. Düsseldorf 1934
  • Max J. Friedländer: Pieter Coeck, Jan van Scorel. In: Die altniederländische Malerei, Band 12, Berlin 1935
  • Ernst Sonnet: Von der Wiederherstellung eines dreiteiligen Altarbildes aus dem 16. Jahrhundert. In: Die Schule, 9. Jahrgang Nr. 12, Saarbrücken 1959, S. 251-258
  • Marie-Luise Hauck: Das Dillinger Altarbild. Ein Werk des Lucas van Leyden? In: Saarheimat 1961, Heft 12, S. 2-9
  • Max J. Friedländer: Lucas van Leyden. Berlin 1963 (Hg. von F. Winkler)
  • Georges Marlier: La Renaissance flamande: Pieter Coecke d’Alost. Brüssel 1966
  • Aloys Lehnert: Geschichte der Stadt Dillingen/Saar. Dillingen 1969
  • Wolfgang Krönig: Rezension zu Rezension zu Georges Marlier: La Renaissance flamande. Pieter Coecke d’Alost. In: Kunstchronik 1969, Heft 2, S. 47-57
  • Antje-Maria Neuner: Das Triptychon in der frühen altniederländischen Malerei. Bildsprache und Aussagekraft einer Kompositionsform. In: Europäische Hochschulschriften: Reihe 28, Kunstgeschichte, Band 242, Frankfurt am Main [u.a.] 1995
  • Manfred Kostka: Katholische Pfarrkirche Hl. Sakrament "Saardom". Dillingen, 2. erweiterte und verbesserte Auflage 1997
  • Michaela Mazurkiewicz-Wonn: Kirche Hl. Sakrament (Saardom). In: Kunstverein Dillingen im Alten Schloss, Dillingen/Saar (Hg.): Kunstführer Dillingen/Saar. Dillingen 1999, S. 18-19
  • Dieter Steffens: Könige kamen auf unbekannten Wegen. Das Dillinger Triptychon, das Werk eines niederländischen Künstlers, ist vom 6. bis 8. Januar im Saardom zu sehen. In: Saarbrücker Zeitung, Regionalteil Dillingen, 27. 12. 2005
  • Ulrich Meisser und Johannes Hahn: Dillingen. Leipzig 2009

COPYRIGHT ©

Institut für aktuelle Kunst im
Saarland an der Hochschule
der Bildenden Künste Saar

Choisyring 10
66740 Saarlouis
49 (0) 6831 - 460 530