Wintringer Kapelle, Kapelle auf dem Wintringer Hof, Strebepfeiler der Südseite (Foto: Michael Jähne)

Wintringer Kapelle, Kapelle auf dem Wintringer Hof, Strebepfeiler der Südseite 

Schriftbandhaltender Engel, südöstlicher Strebepfeiler, Wintringer Kapelle (Foto: Bildarchiv Fachrichtung Kunstgeschichte, Universität des Saarlandes)

Schriftbandhaltender Engel, südöstlicher Strebepfeiler, Wintringer Kapelle 

Liegender, mittlerer südlicher Strebepfeiler (Foto: Bildarchiv Fachrichtung Kunstgeschichte, Universität des Saarlandes)

Liegender Mann, mittlerer südlicher Strebepfeiler 

Hund, südsüdöstlicher Strebepfeiler (Foto: Bildarchiv Fachrichtung Kunstgeschichte, Universität des Saarlandes)

Hund, südsüdöstlicher Strebepfeiler 

Frosch, ostsüdöstlicher Strebepfeiler (Foto: Bildarchiv Fachrichtung Kunstgeschichte, Universität des Saarlandes)

Frosch, ostsüdöstlicher Strebepfeiler 

Eidechse, östlich benachbarter Strebepfeiler (Foto: Bildarchiv Fachrichtung Kunstgeschichte, Universität des Saarlandes)

Eidechse, östlich benachbarter Strebepfeiler 

Tierfigur, nordnordöstlicher Strebepfeiler (Foto: Bildarchiv Fachrichtung Kunstgeschichte, Universität des Saarlandes)

Affe, nordnordöstlicher Strebepfeiler 

Figur, mittlerer nördlicher Strebepfeiler (Foto: Bildarchiv Fachrichtung Kunstgeschichte, Universität des Saarlandes)

Frau mit abwehendem Haar, mittlerer nördlicher Strebepfeiler 

Löwe, nordöstlicher Strebepfeiler (Foto: Bildarchiv Fachrichtung Kunstgeschichte, Universität des Saarlandes)

Löwe, nordöstlicher Vierungspfeiler 

Löwe, südöstlicher Strebepfeiler, Saarbrücken, Schlosskirche (Foto: Bildarchiv Fachrichtung Kunstgeschichte, Universität des Saarlandes)

Löwe, südöstlicher Strebepfeiler, Saarbrücken, Schlosskirche 

Löwe, nordöstlicher Strebepfeiler, Saarbrücken Schlosskirche (Foto: Bildarchiv Fachrichtung Kunstgeschichte, Universität des Saarlandes)

Löwe, nordöstlicher Strebepfeiler, Saarbrücken Schlosskirche 

Aspekte: Wasserschlagfiguren im Saarland

Letzte Änderung: 28/11/2011

Den Wandel zum Dekorativen macht eine Gruppe von Skulpturen deutlich: die Wasserschlagfiguren. In einem Aufsatz, in dem er auch auf vergleichbare Beispiele eingeht, macht Peter Volkelt auf das Phänomen dieser Skulpturen aufmerksam. Der Begriff "Wasserschlagfiguren" wird von ihm - soweit bekannt - erstmals als solcher formuliert. Die sonst selten vorkommende Gruppe von Skulpturen tritt im Saarland auffälligerweise an zwei Sakralbauten auf. Wasserschlagfiguren erscheinen am Chor der ehemaligen St.-Wolfgangs-Kirche auf dem Wintringer Hof bei Kleinblittersdorf (später Wintringer Kapelle genannt) und an der Schlosskirche zu Saarbrücken.

 

 

Die Wasserschlagfiguren an der Kapelle auf dem Wintringer Hof / Kleinblittersdorf

Die heute wiederhergestellte Kapelle St. Wolfgang auf dem Wintringer Hof war ursprünglich der Chor einer größeren Kirche, die zur Prämonstratenserabtei Wadgassen gehörte. Die Kirche wurde 1633 im Dreißigjährigen Krieg von schwedischen Truppen weitgehend zerstört. Der intakte Chor mit 5/8-Schluss diente bis 1905 als Wallfahrtskapelle. In diesem Jahr stürzte das Gewölbe ein. Seither war der Bau langsamem Verfall preisgegeben, bis er schließlich in den Jahren 1959 bis 61 restauriert wurde.

Acht Strebepfeiler stützten ursprünglich das Chorpolygon. Die beiden Strebepfeiler auf der nördlichen Chorlängsseite trug man vollständig ab. Die Strebepfeiler treppen in Form von Wasserschlägen zweifach ab. Der obere der beiden Wasserschläge trägt jeweils eine figürliche Skulptur, die mit der pultdachartigen Platte aus einem Block gearbeitet ist. Wenn auch teilweise beschädigt und abgewittert, haben sich doch alle acht Figuren erhalten. Die beiden Figuren von den abgetragenen Strebepfeilern versetzte man zwischenzeitlich auf einer nahegelegenen Mauer, bei der Wiederherstellung der beiden Strebepfeiler (1959-61) wurden die beiden zugehörigen Wasserschläge an ihren ursprünglichen Platz zurückversetzt.

Übereinstimmend datiert die Literatur den Bau und damit auch die der Architektur eng verbundenen Wasserschlagfiguren in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts bzw. um 1470. Ihr exponierter Ort am Bau ließ die Figuren besonders stark unter den Witterungseinflüssen leiden. Alle zehn Wasserschlagfiguren sind, zum Teil erheblich, beschädigt oder abgewittert.

Folgende Wasserschlagfiguren gruppieren sich auf den Strebepfeilern (beginnend im Südosten, endend im Nordosten): Am südöstlichen Strebepfeiler erscheint ein schriftbandhaltender Engel. Er schwebt in horizontaler Haltung am oberen Rand der Platte von links nach rechts, sodass sich das Schriftband auf dem verbleibenden freien Teil der Platte entrollen kann. Das ausgerollte Schriftband bot Platz für eine Inschrift, die aber fast völlig abwitterte. Der Engel hält das Band mit beiden Händen. Sein linker Arm brach ganz ab, ebenso ein Teil der rechten Hand, der Kopf mit einem Teil der Schultern, ein Großteil der Flügel und ein Stück des Gewandes im Bereich der Unterschenkel. Es lässt sich aber noch erkennen, dass sich der Körper mit hohlem Kreuz nach unten durchbog; die langen, kurvig geführten Parallelfalten des gegürteten Gewandes unterstreichen den Eindruck. Die Falten sind wulstigdick und bauschen sich unter der Brust, wo sich der Stoff fast ganz glattzieht. Auch am Ärmel bleibt der Stoff, abgesehen von einigen horizontalen Quetschfalten in der Armbeuge, fast glatt. Die Füße verschwinden unter dem Gewand. Die waagrecht geführten Flügel schlossen offenbar mit der Oberkante der Platte ab. Indem er den Engel in horizontaler Lage an den oberen Plattenrand rückt, erweckt der Bildhauer den Eindruck des Fliegens, den das Spruchband, das sich im recht großen Freiraum unterhalb des Engels flatternd entrollt und dabei zum Teil einwickelt, noch unterstützt.

Die Wasserschlagplatte am mittleren südlichen Strebepfeiler trägt einen Liegenden. Ob Mann oder Knabe, lässt sich nicht mehr entscheiden. Die Figur ist so stark abgewittert und gerissen, dass sich gerade noch die Körperformen erkennen lassen. Der Mann oder Knabe liegt in der Diagonalen der Platte, füllt sie aber nicht ganz aus. Seine Beine zieht er an. Die Arme brachen großenteils ab. Den rechten Arm schob er offenbar unter den Kopf. Der Kopf witterte so weit ab, dass sich nur noch ein unförmiges Gebilde und der Ansatz eines Ohres erkennen lassen. Die Form der Füße lässt auf eine Bekleidung mit spitz endenden Beinlingen oder Schnabelschuhen schließen. Möglicherweise trug der Mann (oder Knabe) ein Wams aus dickem Stoff. Die übrige Kleidung ist weitgehend deformiert. Die spitze Fuß- oder Schuhform könnte auch eine Folge der Abwaschung sein. Der Bildhauer hat das ausgestreckte Liegen und Sich-Räkeln in lebendiger Weise wiedergegeben.

Eine der am besten erhaltenen Figuren ist der Hund auf dem Wasserschlag des südsüdöstlichen Strebepfeilers. Nur ein Stück des linken Vorderlaufes brach ab. Der Hund liegt ebenfalls in der Diagonalen der Platte, sein Kopf, den er ein wenig anhebt, in der linken oberen Ecke. Die quastenbesetzte Rute ruht in der rechten unteren Ecke. Das zottelig-lockige Fell, die Schlappohren, die wie Fransen in die Stirn hängenden Kopfhaare, die mit Haarzotteln besetzten Beine, das quastenähnliche Schwanzende und die großen Pfoten verraten den Bildhauer als genauen Beobachter, der mit dem erhobenen Kopf und der sprungbereiten Haltung auch das Wesen des Tieres treffend charakterisiert.

Auf dem Wasserschlag des ostsüdöstlichen Strebepfeilers kriecht ein Frosch nach links über die Platte. Die Tierfigur, die einen Großteil des Wasserschlages einnimmt, hat sich schlecht erhalten. Der Kopf ist stark abgerieben, der Körper witterte bis auf einen walzenförmigen Rest ab. Erhalten hat sich der linke Vorderfuß, der obere Teil des rechten der zusammengeklappten hinteren (Sprung-) Beine und der etwas abseits gerückte linke hintere Fuß, an dem der Bildhauer Schwimmhäute andeutet. Das übrige linke Hinterbein brach bis auf einen kleinen Rest am Körper ab. Die über den Boden kriechende Fortbewegungsart des Tieres ist sehr sinnfällig wiedergegeben.

Ein Tier aus einem ähnlichen Lebensraum, eine Eidechse, rollt sich auf dem östlich benachbarten Strebepfeiler ein und bedeckt den ganzen Wasserschlag. Auf dessen linker Seite ruhte oberhalb der Schwanzspitze des Tieres sein Kopf, der ganz abbrach. Auch ein Großteil des Rumpfes, der die obere Hälfte der Platte einnimmt, ging verloren. Von den Gliedmaßen hat sich nur das linke Vorderbein erhalten, das rechte platzte ab. Hinterbeine waren wohl auch ursprünglich nicht angegeben. Erhalten hat sich aber teilweise die Oberfläche des sich verjüngenden Schwanzes, der die untere Hälfte der Platte einnimmt und dessen Spitze auf der linken Seite des Wasserschlags zu liegen kommt. Als guter Naturbeobachter hat der Bildhauer hier die schuppige Oberfläche der Echsenhaut geschildert.

Der Wasserschlag am nordnordöstlichen Strebepfeiler trägt ebenfalls eine Tierfigur. Als einzige Skulptur sitzt das Tier streng frontal zum Betrachter aufrecht da. Zimmermann bezeichnet die Figur als "sitzenden Löwen", Volkelt deutet sie - wohl zu Recht - als Affen. Makaken und meerkatzenartige Affen waren im 15. Jahrhundert in Mitteleuropa durchaus bekannt. Sie wurden seit dem frühen Mittelalter besonders aus Nordafrika - über Gibraltar - nach Europa eingeführt und seit dem 12. Jahrhundert vielfach dargestellt. Für einen Affen sprechen der kugelige Kopf mit der fliehenden Stirn, die menschenähnlichen Ohren, das gefletschte Gebiss mit den ausgeprägten, eng stehenden Eckzähnen und den Mahlzähnen, die zwischen den klaffenden Kiefern zu erkennen sind, sowie die Bildung der vorderen Gliedmaßen. Auch Brüste hat der Bildhauer angegeben. Das Fell aus welligen Strähnen spräche dagegen als einziges für einen Löwen. Die Hinterbeine und ein Teil des Körpers verschwinden im Mauerwerk, die Vorderhände stemmt der Affe auf den vorderen Rand der Wasserschlagplatte. Der obere Teil des Kopfes ist sehr abgerieben, Augenhöhlen und Nasenlöcher deuten sich nur mehr als flache Vertiefungen an. Außerdem ist der Stein mehrfach gerissen.

Auch die Figur auf dem Wasserschlag des folgenden, mittleren nördlichen, Strebepfeilers sitzt aufrecht. Sie wendet sich aber nach links. Es ist eine Frau, die ihren rechten Arm ausstreckt und die hohle Hand nach oben dreht. Die Hand des gebeugten linken Armes lag flach auf der Brust. Hand und Arm brachen bis auf einen Rest des Oberarmes ab. Das Gesicht ist ebenfalls stark beschädigt, doch lässt sich noch erkennen, dass die Frau etwas nach oben blickte. Ihr langes, strähniges Haar streicht wie vom Wind bewegt nach hinten. Sie trägt ein langes Kleid, dessen untere Partie ebenfalls sehr zerstört ist. Schräge Zugfalten, die sich durch das Drehen der Knie nach rechts bildeten, lassen sich eben noch erkennen. Die Füße bleiben unter dem Kleid verborgen, wenn nicht auch sie der Abwitterung zum Opfer fielen.

Die Folge der Wasserschlagfiguren auf dem Wintringer Hof beschließt ein liegender Löwe. Der Löwe liegt mit ausgestreckten Vorderpranken nach rechts auf der schrägen Platte. Außer dem Kopf brachen große Stücke an den Hinterbeinen, dem Schweif, dem rechten Vorderbein und kleinere Partikel am Rücken ab. Die Mähne, die mit ihren dicken, wolligen Strähnen bis auf den Rücken reicht, und die Zotteln an den Beinen arbeitete der Bildhauer deutlich heraus. Die angespannten Muskeln und Sehnen besonders an den Vorderbeinen, die der Bildhauer erfasst und dargestellt hat, geben einen Hinweis auf die Stärke und Wildheit des Tieres.


Ob die geschilderte Reihenfolge der Skulpturen die richtige ist, lässt sich nicht mehr ermitteln. Es ist durchaus möglich, dass außer den beiden zuletzt beschriebenen Wasserschlagfiguren bei Reparatur- und Sicherungsarbeiten die übrigen Figuren ebenfalls abgenommen und nicht mehr am ursprünglichen Ort versetzt wurden.


Die Wasserschlagfiguren an der Schlosskirche zu Saarbrücken


Der gleiche Ort am Bau, ähnliche Abmessungen, die Art der Platzierung der Figuren auf den Deckplatten der Abtreppungen und vor allem die zeitliche Nähe erlauben es, die Skulpturen auf dem Wintringer Hof und die an der Schlosskirche in Saarbrücken gemeinsam zu betrachten.

Die Wasserschlagfiguren an der Saarbrücker Schlosskirche entstanden nicht sehr viel später als die an der Kapelle auf dem Wintringer Hof. Der Bau der Schlosskirche war zwischen 1476 und 1478 noch im Gang. Um diese Zeit dürften also auch die beiden Wasserschlagfiguren geschaffen worden sein, die den südöstlichen Seitenschiffstrebepfeiler und den nordöstlichen Chorstrebepfeiler schmücken. Es fällt auf, dass die Schlosskirche nur zwei Wasserschlagfiguren besitzt, die sich ohne erkennbares Ordnungsprinzip (etwa benachbarte oder sich symmetrisch entsprechende Strebepfeiler) am Bau verteilen. Ob ursprünglich nur zwei dieser Figuren geplant oder ausgeführt waren oder ob weitere vorhanden waren, die man im Laufe der Zeit wegen Beschädigung durch unskulptierte Platten ersetzte, lässt sich nicht mehr ermitteln. Auch die Saarbrücker Figuren arbeitete man mit den Deckplatten der Wasserschläge aus einem Block. Die Wasserschlagfiguren, zwei Löwen, dürften noch am ursprünglichen Ort sitzen.

Der Löwe auf dem Wasserschlag des südöstlichen Chorstrebepfeilers liegt nach links. Man sieht die beiden zottelbesetzten Vorderbeine und das linke Hinterbein, ebenfalls mit dicken Haarzotteln besetzt. Die breiten Pranken splitterten zum Teil ab. Ebenso brachen Kopf und Quaste des Schweifes, den der Löwe unter den Leib zwischen den Hinterbeinen hindurch nach vorne über die Flanke schlägt, ab, daneben auch einige Splitter vom Körper des Tieres. Den muskulösen Körperbau und die Bereitschaft zum Sprung hat der Bildhauer ebenso erfasst wie die Mähne, die sich über Hals, Brust und Schultern bis in die Flanken und auf den Rücken zieht. Sie wirkt kleinteiliger und bewegter als die des Löwen auf dem Wintringer Hof.

Der zweite Löwe auf dem nordöstlichen Chorstrebepfeiler stimmt in Haltung und Form des Körpers mit dem ersten Löwen überein. Im Unterschied zu diesem bleibt sein rechtes Vorderbein hinter dem Körper verborgen oder ging verloren. Seinen Schweif schlägt er von rechts über den Rücken. Auch bei dieser Figur brachen der Kopf und Teile der Beine und Pranken ab. Außerdem verwitterte die Oberfläche stärker als die des ersten Löwen.


Ikonographische Deutung der Wasserschlagfiguren auf dem Wintringer Hof und an der Schlosskirche

Insgesamt erlaubt der Erhaltungszustand der Wasserschlagfiguren auf dem Wintringer Hof und in Saarbrücken keine weitergehende Aussage zur stilistischen Einordnung der Skulpturen. Die noch erkennbaren Details zeigen aber das Bemühen um eine naturnahe Wiedergabe der Tiere und ihres Wesens sowie eine lebendige abwechslungsreiche Schilderung der Menschen und des Engels.

Eine genauere ikonographische Bestimmung erweist sich, obwohl alle zehn besprochenen Wasserschlagfiguren benennbar sind, als sehr schwierig.
Besonders der scheinbar geschlossene Zyklus der Figuren auf dem Wintringer Hof bleibt rätselhaft. Es stellt sich vor allem die Frage, ob die Gruppe nach einem ikonographischen Konzept gearbeitet und in sinnvoller Reihenfolge am Bau versetzt wurde oder ob sie nur eine dekorative Aufgabe erfüllen sollte. Für die Tierfiguren finden sich in den "bildlich-literarischen Quellen" des gesamten Mittelalters wie dem Physiologus und den Bestiarien eine Fülle möglicher motivischer Vorbilder. Vor allem die Laster stellte man im frühen und hohen Mittelalter gern als "böse Tiere und drohende Unholde" dar. Volkelt schlägt deshalb als mögliche Deutung der Wasserschlagfiguren auf dem Wintringer Hof Lasterdarstellungen vor. Die Frau mit den offenen Haaren wäre dann als Luxuria zu deuten, der liegende Mann als Faulheit, der Affe als Symbol der Bösartigkeit oder des Bösen (Teufel), der Löwe als Symbol des Hochmuts (superbia), der Hund als Sinnbild der Dummheit, Echse und Kröte als "Sinnbilder des Verwerflichen, Niedrigen, Giftigen".

 

So verlockend diese Deutungen auch scheinen, machen eine Reihe von Unstimmigkeiten sie doch überdenkenswert. Der Engel mit dem Spruchband etwa findet in dieser Deutung keinen Platz. Bekleidung und Haltung der Frau mit dem langen Haar sprechen nicht für eine Allegorie der Luxuria. Die Deutung des Affen als Symbol des Bösen ist nicht allzu häufig. Daneben kann der Affe auch den Sünder, die Eitelkeit (vanitas), die Prunksucht (luxuria) oder die Trägheit zu guten Werken und im Gottesdienst (acedia) symbolisieren. Die Eidechse dagegen ist keineswegs ausschließlich ein Symbol des Niedrigen und Bösen, sie wird auch als weise bezeichnet oder mit den Einfältigen, die das Himmelreich erlangen, verglichen. Sie kann das vom Wort Gottes vertriebene Böse versinnbildlichen oder auf den Menschen hinweisen, der das Licht Christi sucht, so wie die erblindete Echse von der aufgehenden Sonne wieder sehend wird. Die Kröte oder der Frosch können Symbol des Teufels, aber auch der vanitas (Eitelkeit), der avaritia (Geiz), luxuria (Prunksucht) oder der superbia (Hochmut) sein. Der Löwe wiederum kann den Dämon, aber auch Christus als Messias symbolisieren. Auch die symbolische Bedeutung des Hundes ist ambivalent. Er steht überwiegend für die Treue (fides) und die Wachsamkeit, kann aber auch Sinnbild für die wiederholte Rückkehr zum sündigen Leben oder des Sexus und der Geilheit sein.

 

Diese Vielzahl von Mehrdeutigkeiten und Überschneidungen lassen die Deutung der Wasserschlagfiguren als Darstellung der Laster kaum mehr zu. Hinzu kommt, dass es dem Bildhauer mehr darum ging, das Naturvorbild seiner Tierfiguren festzuhalten als deren bedrohlichen, bösartigen Charakter zu zeigen. Die Schilderung von Naturwesen, das heißt Schilderung der Umwelt, ist im Grunde die Eigenschaft von Genremotiven. Es deutet alles darauf hin, dass es sich bei diesem Zyklus von dekorativer Bauskulptur - hier wird man die beiden Saarbrücker Wasserschlagfiguren mit einbeziehen dürfen - um eine Zusammenstellung von Genrebildern handelt, deren ikonographische Bedeutung verblasst oder aus dem Bewusstsein der Betrachter geschwunden ist. Andererseits hat aber die weitverbreitete ikonographische Tradition der Motive der Wasserschlagfiguren dazu geführt, dass der Bildhauer gerade diese Motive für seine dekorativen Absichten umdeutete. Dieser Vorgang, dass Bildthemen und Motive, deren symbolischer Gehalt ganz oder teilweise in Vergessenheit geriet, nur noch als Genredarstellung oder Drolerien in schmückender Funktion auftreten, ist gerade für die Spätgotik nicht untypisch.

In den Wasserschlagfiguren an der Wolfgangskapelle auf dem Wintringer Hof und an der Saarbrücker Schlosskirche bleibt allenfalls der apotropäische Charakter - etwa bei dem Löwen oder dem Affen - spürbar, wenn auch sehr abgeschwächt. Den genrehaften, dekorativen Charakter der Tierfiguren auf den Wasserschlägen bestätigt auch der Vergleich mit etwa zeitgleichen Motiven in anderen skulpturalen Zusammenhängen. So weist Volkelt auf die Tierfiguren der Grafengräber in der Stiftskirche St. Arnual hin. Dort ruhen zu Füßen der Figur der Gräfin Elisabeth († 1456) ein Hund, zu Füßen der Figur des Grafen Johann des III. († 1472) ein Löwe und zu Füßen der Liegefiguren seiner beiden Frauen auf der gleichen Tumba ebenfalls Hunde. Abgesehen von den motivischen Übereinstimmungen lässt sich hier nur eine allgemeine zeitstilistische Verwandtschaft feststellen, so sehr sind die Tierfiguren auf den Grabdenkmälern, bei allen naturnahen Details, von ihrer ikonographischen Aufgabe als heraldische Tiere geprägt.

Eine Herleitung der Tierfiguren auf den Wasserschlägen von solchen attributiven Tieren auf Grabdenkmälern und ähnlichem ist auszuschließen.


Für Tierskulpturen weist Volkelt auf andere Quellen hin. Einen reichen Bestand solcher Figuren hat der Dom zu Worms an Fensterbänken und Säulenpostamenten der beiden Chöre (12. und 13. Jahrhundert). In den Turmstrebepfeilertabernakeln der Kathedrale zu Laon erscheinen Ochsen und Hunde (13. Jahrhundert). Auf den Strebepfeilergiebeln am Langhaus des Straßburger Münsters sitzen groteske Tierfiguren als Bekrönung (um 1275). Ähnliches findet sich an den Kathedralen zu Reims und Amiens. Die Reihe hochgotischer Beispiele für dekorative Tierskulptur ergänzen die Hinweise auf die Kirche Notre Dame zu Dijon (Mitte 13. Jahrhundert) und auf den Westchor des Naumburger Domes (um 1260).

Zeitlich näher und in ihrer überquellenden Schmuckfreude dem dekorativen Charakter der saarländischen Wasserschlagfiguren verwandter sind die Strebepfeilerskulpturen der Wallfahrtskirche Notre Dame de L'Epine (zwischen Verdun und Chalons-sur-Marne). Sie entstand um 1270. Der verwickelten Baugeschichte dieser Kirche zufolge entstanden die mit den Wasserschlagfiguren vergleichbaren Skulpturen, die vor allem die Strebepfeiler am Chor und den Chorkapellen zieren, erst in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. An diesem Bau zeigen sich, als überladenes Kompendium, alle Möglichkeiten, Strebepfeiler mit Skulpturen auszustatten, die sich auch an den hochgotischen Kathedralen finden: monumentale Baldachinfiguren, Wasserspeier auf figürlichen Konsolen und Wasserschlagfiguren.

Wie etwa in Straßburg oder Dijon decken satteldachartige Platten die Strebepfeiler in L'Epine. Im Gegensatz zu den hochgotischen Beispielen sitzen hier drolatische Figuren rittlings auf diesen Verdachungen (zum Beispiel eine harfespielende Sau). Diese Auffassung entspricht der Platzierung der Figuren auf den pultdachartigen Wasserschlägen auf dem Wintringer Hof oder der Schlosskirche zu Saarbrücken. Bemerkenswert ist, dass die Wasserschlagfiguren auf dem Wintringer Hof und in Saarbrücken die einzigen Bauskulpturen dieser Kirchen sind, während die Wasserschlagfiguren an Notre Dame de L'Epine und Verwandtes an den früheren Bauten in der Fülle der Bauskulptur untergehen.

Das Straßburger Münster besitzt an weniger augenfälliger Stelle zwei Tierfiguren, die in die Nähe der Wasserschlagfiguren rücken. An den Eckpfeilern der Brüstung des vor 1419 ausgeführten Turmoktogons ruhen ein Bär und ein Stier. Ihre etwas abgerückten Plätze und ihr im Grunde isoliertes Auftreten lassen eine genaue ikonographische Deutung dieser Skulpturen kaum zu. Die Tierfiguren, die dem "weichen Stil" angehören, vermitteln trotz schwellender Körperpartien die gespannte Dynamik ihrer Muskelkraft. Auch dieses, die Schilderung der Körperkraft von Naturwesen, weist den Figuren eine genrehaft-dekorative Funktion zu.

Eine Gruppe zeitlich und motivisch den Wasserschlagfiguren nahestehender Skulpturen macht diese Auffassung des 15. Jahrhunderts nochmals ganz besonders deutlich. In der Kapelle des Palais Jacques Coeur zu Bourges, das etwa 1457 vollendet wurde, rahmen Fialenarchitekturen die Sitznischen für Jacques Coeur und seine Gemahlin sowie die Eingangstür. Auf den Abdachungen, die die Fialen gliedern, tummeln sich je zwei Tiere: Bären, Drachen, Hunde, Widder. Mit dicht auf die Schräge gepressten Körpern laufen oder klettern die Tiere über die Verdachungen, dabei schauen sie zum Teil über den Rand der Platten nach unten. Die Haltung der Tiere strahlt Lebendigkeit und Kraft aus, ohne dass der Bildhauer großes Gewicht auf naturalistische Details gelegt hätte, während "dieses bei den saarländischen Figuren überwiegt und deren Ausdruck bestimmt" (Volkelt 1956, S. 181). Da für ein Auftreten von Abdachungen oder Wasserschlägen im Inneren eines Bauwerks keine praktische Notwendigkeit besteht (Ableiten von Regenwasser), fällt das der Funktionalität widersprechende Besetzen der Architekturteile mit Figuren zunächst wenig ins Auge.

Das Unlogische der Dekoration eines Bauwerks mit Wasserschlagfiguren ist aber evident. Mit den Wasserschlagfiguren auf dem Wintringer Hof und in Saarbrücken wird dieser Widerspruch des Schmuckwillens zur Logik architektonischer Strukturen schlagartig deutlich. Die Figuren heben nicht nur die Funktion des Wasserschlages eigentlich auf, sondern werden gerade durch ihre Platzierung an diesem exponierten Ort der langsamen Beschädigung durch Regenwasser und andere Witterungseinflüsse preisgegeben, die die Wasserschläge selbst ja vom Bau eigentlich abhalten sollen.

Die bislang recht wenig beachteten Wasserschlagfiguren im Saarland bilden eine eigenwillige, in ihrer Lebendigkeit und Naturbeobachtung originelle Gruppe, deren Qualitätsstufe, soweit sich dies noch beurteilen lässt, über einen gewissen provinziellen Maßstab nicht hinauswächst, die aber einen wichtigen Punkt in der Entwicklung der Bauskulptur in der Spätgotik markieren. Wie sich schon an anderen Beispielen zeigte, hat sich das Schreckbild in der Bauskulptur im Laufe des 15. Jahrhunderts fast völlig zum dekorativen Genrebild gewandelt. Im Zyklus der betrachteten Wasserschlagfiguren hat sich dieser Wandel auch auf Symbole mit positivem Gehalt ausgedehnt. Erstaunlicherweise finden sich bei diesen Drolerien keine Fabelwesen oder andere phantastische Lebewesen. In der näheren Umgebung stehen die Wasserschlagfiguren singulär.

Verwandt sind Bauskulpturen in der Evangelischen Kirche zu Niederkirchen (siehe unten) - allenfalls einige Reliefs an der Strebepfeilern der Kirchen zu Zetting (Lothringen, Département Moselle) und Domfessel (Elsaß, Département Bas-Rhin). An der Kirche St. Marcel zu Zetting (Weihe 1434) erscheinen an zwei Chorstrebepfeilergiebeln je zwei gegenständige, gleichartige Tiere im Relief.

Drei Strebepfeiler an der Südseite der Kirche zu Domfessel zeigen ebenfalls im Relief Tierdarstellungen: einen beuteschleppenden Wolf, zwei kämpfende Drachen und ein basiliskenähnliches Wesen. An den vier Strebepfeilern des Chores dieser Kirche sitzen Wasserspeier, als Tierfiguren. Die beiden am Chorhaupt ragen dabei so aus den Stirnseiten der Strebepfeiler, dass sie eigentlich kein Regenwasser ableiten können.

Erscheinen die Reliefs in Zetting und die an der Südseite der Kirche in Domfessel durchaus sinnvoll als dekorative Elemente an Flächen, die zum Schmücken einladen, so haben die beiden "Wasserspeier" am Domfesseler Chorhaupt ihre eigentliche Funktion verloren und dienen nur noch ihrer schmückenden Aufgabe.

Gerade die unendliche Vielfalt der Bauskulpturen in L'Epine - und besonders die der dortigen Strebepfeilerzier -, in Bourges, Domfessel oder Zetting zeigen das spezifisch Spätgotische gegenüber der Ausstattung der hochgotischen Bauten des 13. und 14. Jahrhunderts mit skulpturalem Schmuck. Letzterer ist in das struktive System der gotischen Architektur sinnvoll eingebunden: Tierfiguren und ähnliche drolatische Skulpturen ersetzen etwa Kriechblumen auf Wimpergen, Firstkämme oder dienen als Wasserspeier mit dem erforderlichen technischen Aufbau zum Ableiten von Regenwasser. Apotropäische Aufgaben kommen hinzu (siehe oben). Die Struktur des Baues bleibt dabei immer klar erkennbar und übergeordnet.


In der spätgotischen Bauskulptur wird dieses klare System überspielt, "dekorative Willkür" setzt sich über die "architektonischen Gegebenheiten der Bauglieder" hinweg. Gerade die Wasserschlagfiguren auf dem Wintringer Hof und in Saarbrücken zeigen dies sehr deutlich. An den früh- und hochgotischen Bauten musste der Wasserschlag frei bleiben, die schräg sitzende Steinplatte hatte die Aufgabe, das Regenwasser vom Bau "abzuschlagen", um mögliche Schäden am Mauerwerk durch sich stauendes oder spritzendes Wasser zu verhüten. Die auf den Schrägen sitzenden oder liegenden Figuren hemmen das Ablaufen des Wassers und heben damit die technische Funktion des Wasserschlages weitgehend auf. Das dekorative Spiel genrehafter und drolatischer Figuren ist wichtiger geworden als die technische Notwendigkeit. In Dijon, Straßburg, Amiens und anderen Orts trat das Schmuckbedürfnis stets hinter die technisch-struktiven Erfordernisse zurück. Gleichzeitig bewahren die dortigen Tierfiguren bzw. Genrefiguren eine gewisse Eigenständigkeit von der Architektur. Die spätgotischen Wasserschlagfiguren sind mit der Wasserschlagplatte zu einer Einheit verschmolzen und haben das Wesen des Wasserschlages von einem technischen Teil des Bauwerks zu einem rein dekorativen Element verändert. Dekorationslust steht jetzt über der Einsicht in praktische Notwendigkeit und sogar über der Wichtigkeit apotropäischer Symbolik.

 

Michael Jähne

 

 

Bibliografie (Auswahl)

  • Michael Jähne: Bauskulptur des Mittelalters. Saarbrücken 1999
  • Peter Volkelt: Spätgotische Wasserschlagfiguren im Saarland. In: Annales universitatis saraviensis III/1955. Saarbrücken 1956, S. 166 ff
  • Walther Zimmermann: Die Kunstdenkmäler der Stadt und des Landkreises Saarbrücken. Unveränderter Nachdruck der Ausgabe Düsseldorf 1932. Saarbrücken 1975, S. 256

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