Joachim Pathen, Fenstergestaltung, 1958. Foto: Institut für aktuelle Kunst im Saarland, Christine Kellermann

Joachim Pathen, Fenstergestaltung, 1958 

Joachim Pathen, Fenstergestaltung, 1958. Foto: Institut für aktuelle Kunst im Saarland, Christine Kellermann

Joachim Pathen, Fenstergestaltung, 1958 

Saarlouis, Pathen, Fenstergestaltung

Letzte Änderung: 16/06/2011

Joachim Pathen
Fenstergestaltung, 1958

Farbige Bleiverglasung
Saarlouis-Roden, Grundschule Römerberg, Römerstraße 20

 

 

Die Buntglasfenster in der Rodener Römerbergschule: Eine kommunalpolitische Deutung

 

Der Erweiterungsbau der Römerbergschule in Saarlouis-Roden ist kürzlich renoviert worden und ist nun wieder sehr ansehnlich. Die Römerbergschule in Roden wurde 1952 eingeweiht. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg gab es in der Römerstraße ein von der Stadt Saarlouis gebautes Schulgebäude, das im Krieg gänzlich zerstört worden war. Die Buntglasfenster von 1958, die sich an der Frontseite des im selben Jahr fertig gestellten Erweiterungsbaues zur Römerstraße hin befinden, verdienen Beachtung und werfen auch einige bislang unbehandelte Fragen hinsichtlich ihrer Entstehung und ihrer politischen Aussagen auf.

 

Das Fenster im Erdgeschoss links unten zeigt das Schloss Küstrin (die heute zu Polen gehörende Stadt liegt an der Mündung der Warthe in die Oder, d.h. direkt an der deutschen Grenze), rechts unten erscheint die bekannte Marienburg. Diese Ordensburg liegt etwa 60 km südöstlich von Danzig in der heute polnischen Stadt Malbork. Im 14. und 15. Jahrhundert war die Burg Sitz der Hochmeister des Deutschen Ordens. Sie war damit Symbol für die Herrschaft des Deutschen Ordens in Ostpreußen. Im Fenster links oben erstrahlen die Wappen der Städte Hirschberg und Liegnitz sowie der schlesische Adler und die Darstellung eines großen Rübezahls. Rechts oben erblicken wir die Wappen von Brandenburg (Adler) sowie die Embleme der Städte Küstrin, Guben sowie Frankfurt/Oder. Im ersten Obergeschoss ist das Rathaus von Breslau erkennbar. Links oben sieht man die Wappen von Pommern sowie der Städte Kolberg, Stettin, Stargard. Rechts oben sind zu erkennen die Wappen (Adler) von Ostpreußen, ein Ordensritter mit Kreuz auf der Brust, Schwert und Schild. Der Deutschordensritter trägt in der linken Hand das Schild, auf das er sich aufstützt, und in der rechten Hand das Schwert. Ferner folgen die Wappen der Städte Königsberg und Danzig.

 

Bedauerlicherweise findet sich an den Fenstern zwar weder ein Hinweis auf den Urheber noch auf das Herstellungsjahr. Doch ist Joachim Pathen, der auch das Wandmosaik über dem Eingang des Erweiterungsbaus schuf, als Schöpfer des Werkes bekannt. Von Stadtoberbaurat Peter Focht (1907-1987) wurde Pathen zur künstlerischen Gestaltung des 1958 eingeweihten Nebengebäudes der Römerbergschule herangezogen. Focht war seit 1948 Stadtbaurat in Saarlouis und leitete den Wiederaufbau der Stadt. Der Rodener Pathen hatte zu jener Zeit bereits sein Kunstschaffen bewiesen. Er hatte originär christliche Kunst geschaffen, wie etwa die Wandmalereien der Kreuzwegstationen in der Pfarrkirche Mariä-Himmelfahrt zu Roden (Maria Himmelfahrt 2000, S. 15). Der Kreuzweg wurde ab August 1955 von Pathen in Sgraffitotechnik gefertigt. An Ort und Stelle stellte er 1956 das Werk fertig, das die handelnden Personen, vor allem Christus, in absoluter Schlichtheit und im Kirchenraum für den Betrachter eine Abfolge sich bewegender Bilder darstellt (Ausstellungskatalog 1980, S. 55-57). In der Kapelle des Nordturmes der Pfarrkirche, in der regelmäßig das Gefallenengedenkbuch ausliegt, befindet sich eine Gedenktafel für Joachim Pathen. Pathen kalligrafierte dieses Gefallenengedenkbuch für die Gemeinde Roden, welches auf die Totentafeln zurückgeht und das Verzeichnis der gefallenen Personen im Zweiten Weltkrieg sowie die "Kriegsopfer der Heimat" enthält.

 

Die Wappenfenster im Erweiterungsbau der Römerschule zeichnen sich allesamt durch die Betonung klassischer preußisch-brandenburgischer, aber auch christlicher Symbole (Deutscher Orden) aus und vergegenwärtigen die Nähe und Verbundenheit der Rodener Bevölkerung zu den unter nicht-deutscher Herrschaft stehenden Gebieten. Es war natürlich schwer vorstellbar, dass die Fenster vor der Saarabstimmung 1955 oder kurz danach eingesetzt worden wären, lag doch das Ziel der Saarverfassung eindeutig darin, eine wirtschaftliche wie kulturelle Anbindung des Saarlandes an Frankreich zu betreiben (Gergen, Saarprovinz, 2005; Gergen, Statut, 2005; Gergen 2006, S. 312). Eine Erinnerung an die Zugehörigkeit der deutschen Gebietsteile wie Brandenburg, Schlesien, Pommern und Ostpreußen wäre in jener Zeit sicherlich noch politisch unkorrekt gewesen. Die Fenster beweisen also die völlige Neuausrichtung der Politik im Saarland, das seit 1957 Bundesland der Bundesrepublik war und mit ihr das "Schicksal" des Verlustes der deutschen Ostgebiete und der Vertriebenen teilte. Zudem wurden bei der Erweiterung Rodens für die Straßennamen die Flüsse Elbe, Oder und Neiße gewählt, die ebenfalls den Beweis für die Zugehörigkeit zum deutschen "Nachkriegsschicksal" liefern. Das römische Erbe der Schule konnte natürlich weiter gepflegt werden, gab es doch gerade in der Nachkriegszeit eine kleine Renaissance der humanistischen Fächer, die von den Nationalsozialisten allzu geschmäht waren. Für die Pflege französischer Geschichte war die Zeit vorbei. Anders gesagt: Die bewusste Betonung von Deutschtum und der Teilhabe am Schicksal der Städte und Länder, die zu jener Zeit in der "Ostzone" (DDR) lagen sowie unter polnischer und sowjetischer Verwaltung standen, unterstreicht die Abkehr von "allem Französischen".

 

In der Beauftragung Pathens durch Stadtoberbaurat Focht, Gedenkfenster zugunsten der deutschen Ostgebiete zu schaffen, liegt auch ein gemeinsames Schicksal mit diesen Gebieten. Denn bis zur Rückgliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik war auch für die saarländische Bevölkerung nicht klar gewesen, wie die politische Zukunft aussehen sollte. Das prophezeite Statut bot sicherlich eine neue Chance in einem noch zu gestaltenden Europa, das aber erst in der Planungsphase und deshalb für die Bevölkerung wenig greifbar war. Eine Hinwendung an die französische Kultur und Geschichte wäre Ende der 1950er Jahre wahrscheinlich "politisch unkorrekt" gewesen.

 

Als Deutsche sollten und wollten die Saarländer auch das Schicksal des damals geteilten Deutschland mittragen und die Vergangenheit in Darstellungen und Straßennamen aufrecht erhalten. Die Buntglasfenster in der Rodener Römerbergschule sind dafür ein eindrucksvolles Zeugnis.

 

Thomas Gergen

 

 

Bibliografie

  • Severin Delges: Saarlouis-Roden im Wandel der Jahrhunderte. Saarbrücken 1933
  • Kreisstadt Saarlouis (Hg.): Kunst im Kirchenraum Saarlouis 1100-1980. Ausstellungskatalog Städtisches Museum Saarlouis 1980. Katalogtexte von Michael Thome. Saarlouis 1980, S. 55-57
  • Festschrift zum 40jährigen Bestehen der Römerbergschule Saarlouis-Roden 1952-1992. Saarlouis-Roden 1992
  • Erich Weidner und Josef Rau: Wegkreuze in Roden. In: Kirchenchor „Caecilia“, Mariä Himmelfahrt Roden 1843-1993. Saarlouis 1993
  • Marc Finkenberg: Roden. Traditionsbewußtes Dorf und moderner Stadtteil. Saarlouis 1997 (Geschichte der Kreisstadt Saarlouis, Bd. 5)
  • Katholisches Pfarramt Maria Himmelfahrt (Hg.), Die Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt zu Saarlouis-Roden. Ein Wegweiser durch das Gotteshaus, Schrift aus Anlass der 1050-Jahrfeier der Pfarrei Roden, Roden 2000, S. 15
  • Festschrift zum 50jährigen Bestehen der Römerbergschule Saarlouis-Roden, 1952-2002. Saarlouis-Roden 2002
  • Thomas Gergen: Von der Saarprovinz zum Saarland. Die Vorgängerorganisationen des Saarlandes bis zu den Volksabstimmungen von 1935 und 1955. In: Saarländische Kommunalzeitschrift, 9, 2005, S. 211-230
  • Thomas Gergen: Europäisches Statut für die Saar? Eine Erinnerung an die Volksabstimmung vom 23. Oktober 1955. In: Juristen-Zeitung, 10, 2005, S. 994-995
  • Thomas Gergen: Gewerkschaften in der deutschen Rechtsgeschichte. In: Arbeit und Recht (Zeitschrift für Arbeitsrechtspraxis), 9, 2006, S. 307-313
  • Ortsinteressenverein für Handel, Industrie, Gewerbe (Hg.): 100 Jahre Stadtteil Roden, 1907-2007. Saarlouis-Roden 2007
  • Jo Enzweiler (Hg.): Kunst im öffentlichen Raum, Saarland. Band 3, Landkreis Saarlouis nach 1945, Aufsätze und Bestandsaufnahme. Saarbrücken 2009
  • Thomas Gergen: Eine Tür in eine andere Zeit. Der Grafiker und Maler Joachim Pathen und sein Wirken in Saarlouis-Roden. In: Saar-Geschichte(n), Ausgabe 2/2012, S. 30-35

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