St. Wendel, Katholische Pfarrkirche St. Anna, 1929/30 nach Entwurf von Hans Herkommer, 1944 zerstört, Außenansicht. Foto aus Johann Joesph Morper: Katholische Kirchenbauten an der Saar. Saarbrücken 1935, S. 41

St. Wendel, Katholische Pfarrkirche St. Anna, 1929/30 nach Entwurf von Hans Herkommer, 1944 zerstört, Außenansicht 

Innenansicht nach der Fertigstellung, noch ohne Bestuhlung. Foto aus Heinrich Fassbinder: Unsere Diözese Trier. Ein kirchliches Heimatbuch. 1932, S. 83

Innenansicht nach der Fertigstellung, noch ohne Bestuhlung 

Innenansicht. Foto aus Johann Joesph Morper: Katholische Kirchenbauten an der Saar. Saarbrücken 1935, S. 41

Innenansicht 

St. Wendel, Katholische Pfarrkirche St. Anna

Letzte Änderung: 09/04/2013

St. Wendel, Katholische Pfarrkirche St. Anna

St.-Annen-Straße 43, St. Wendel

 

1929-30 Neubau von Hans Herkommer, Stuttgart

1948-54 Veränderter Wiedereraufbau von Josef Wilhelm Stockhausen, Neunkirchen

 

 

Der Kirchenbau von Hans Herkommer

 

Wie die 1927-1929 nach Entwurf des Stuttgarter Architekten Hans Herkommer errichtete Katholische Herz-Jesu-Kirche zu Ratingen (sie wurde in den 1960er Jahren wegen großer Bauschäden abgerissen) war auch St. Anna in St. Wendel-Alsfassen eine pfeilerlose Basilika mit gerader Chorabschlusswand, konstruiert als Stahlbau mit dem Längsbindersystem. Diese Kirchen Herkommers schufen die von ihm entwickelten konstruktiven Voraussetzungen auch noch für den Kirchenbau der Nachkriegszeit.

 

Die im Krieg zerstörte und völlig unzulänglich wieder aufgebaute katholische Kirche St. Anna in St. Wendel-Alsfassen zählte zu den modernsten Kirchen in Deutschland. Das 1928 ausgearbeitete Kirchenprojekt umfasste wie bei vielen Aufträgen Herkommers für katholische Gemeinden eine ganze Gruppe von Bauten, die sich um einen Platz konzentrierten. Neben Pfarr- und Gemeindehaus war auch eine Schule geplant, doch wie das Gemeindehaus wurde sie nicht errichtet. Die Grundsteinlegung der Kirche war am 30. März 1930, am 13. Mai 1931 wurde sie geweiht.

 

Rechtwinklig aneinandergefügt, bildeten Pfarrhaus und die Eingangsfront der Kirche die Umgrenzungswände eines geräumigen Kirchenvorplatzes, der auch für liturgische Spiele Verwendung fand. Die einzelnen Baukörper waren klar herausgebildet und in ihrer kubischen Körperhaftigkeit "von einer seltsamen Abstraktheit und Unsinnlichkeit", schreibt ein Zeitzeuge. "Die Eingangsfront wird von einer klinkergesäumten, dreifach gekuppelten hohen Bogenfolge, die fast bis zum Dachansatz aufsteigt und von ausgesuchter Schlankheit ist, triumphal gegliedert." (Morper 1935, S. 42) Wandmalereien hoben sie zusätzlich hervor. Die Portalnischen und Fensterlaibungen waren mit Klinker gefasst, und zwei schmale, horizontale Bänder gliederten den mit Bimshohlsteinen ausgefachten und weißverputzten Stahlskelettbau. Eine Gruppe hoher und schmaler Fenster beleuchtete den Chor einseitig, während eine Reihe schmaler, bis auf den Boden herab geführter, rundbogig abschließender Fenster beide Längsseiten aufschlitzte. Sie müssen den 53 m langen und 18m breiten Innenraum in ein Lichtermeer verwandelt haben und betonten den Weg zum wenige Stufen erhöhten Altar. Die Rhythmik der Wandgliederung ersetzte die fehlende Arkadendynamik eines basilikalen Kirchenschiffes. Raum und Baukörper waren identisch, denn die Außenwände passten sich wie eine dünne Haut dem kubischen Gefüge an und die übergangslose Verbindung von Altarraum und Langhaus schuf einen in sich geschlossenen, gemeinschaftsbildenden Innenraum. Gegen seine saalartige Weite behauptete "sich der schlanke Chorraum mit absorbierender Kraft. (…) Riesengroß steht in der Chorwand eine Darstellung der drei göttlichen Personen. (…) Von der linken Flanke her strömt ihm aus drei stangendünnen chorwandhohen Fenstern Licht zu." (Morper 1935, S. 42) Diesem klaren, straff gegliederten und gleichmäßig belichteten Innenraum fehlte alles Bergende und Trauliche.

 

Bombeneinschläge am Heiligen Abend 1944 beschädigten die Kirche schwer, weitere Fliegerangriffe zerstörten sie vollständig. St. Wendeler Bürger vermuten, sie sei mit einem profanen Industriebau verwechselt worden und deshalb den Angriffen zum Opfer gefallen (vgl. Kornbrust 2010, S. 40). Ab 1948 wurde in mehreren Bauphasen nach den Plänen des Architekten Josef Wilhelm Stockhausen aus Neunkirchen der Nachfolgebau erstellt, der nur entfernt an die großartige Leistung Herkommers erinnert.

 

Marlen Dittmann

 

 

Bibliografie (Auswahl)

  • Johann Joseph Morper: Katholische Kirchenbauten an der Saar. Saarbrücken 1935, S. 41-43
  • Franz Kornbrust: Ein bewegtes Leben. Saarbrücken 2010, S. 38f
  • Denkmalliste des Saarlandes, Teildenkmalliste Landkreis St. Wendel, Stand 1.3.2011
  • Elke Sohn: Avantgardistisch und traditionalistisch. Zu den saarländischen Bauten des Architekten Hans Herkommer. In: Saar-Geschichten. Magazin zur regionalen Kultur und Geschichte, Heft 1, 2013, S. 12-17

 

 

Redaktion: Oranna Dimmig, Claudia Maas


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