Inneres der Pfarr- und Wallfahrtskirche St. Wendalinus nach Osten (Foto: Archiv Mrziglod, Tholey)

Inneres der Pfarr- und Wallfahrtskirche St. Wendalinus nach Osten 

Blick in das Gewölbe des Mittelschiffs (Foto: Archiv Mrziglod, Tholey)

Blick in das Gewölbe des Mittelschiffs 

Detail der Ausmalung der Gewölbezwickel: Drolerie ("der ungeschickte Jäger"), Rankenwerk – vor der Restaurierung (Foto: Archiv Mrziglod, Tholey)

Detail der Ausmalung der Gewölbezwickel: Drolerie ("der ungeschickte Jäger"), Rankenwerk – vor der Restaurierung 

Detail der Ausmalung der Gewölbezwickel: Rufender Mann als Kaschierung einer Schalltopföffnung – vor der Restaurierung (Foto: Archiv Mrziglod, Tholey)

Detail der Ausmalung der Gewölbezwickel: Rufender Mann als Kaschierung einer Schalltopföffnung – vor der Restaurierung 

Die Farbgebung betont die struktiven Elemente – hier im Chorgewölbe (Foto: Archiv Mrziglod, Tholey)

Die Farbgebung betont die struktiven Elemente – hier im Chorgewölbe 

Blattranken auf grünem Grund dekorieren die Kehlen der Gurtbögen (Foto: Archiv Mrziglod, Tholey)

Blattranken auf grünem Grund dekorieren die Kehlen der Gurtbögen 

Die Kreuzungspunkte der Gewölberippen werden durch kontrastierende Farbgebung betont (Foto: Archiv Mrziglod, Tholey)

Die Kreuzungspunkte der Gewölberippen werden durch kontrastierende Farbgebung betont 

Florales Detail der Gewölbebemalung (Foto: Archiv Mrziglod, Tholey)

Florales Detail der Gewölbebemalung 

Die Schlusssteine im Chor und die Rippenanfänger zeigen eine besonders prächtige Farbgebung (Foto: Archiv Mrziglod, Tholey)

Die Schlusssteine im Chor und die Rippenanfänger zeigen eine besonders prächtige Farbgebung 

Gewölbezwickel mit Wappenhalterengel und erzbischöflichem Wappen - vor der Restaurierung (Foto: Archiv Mrziglod, Tholey)

Gewölbezwickel mit Wappenhalterengel und erzbischöflichem Wappen - vor der Restaurierung 

Gewölbe des Chorhauptes; Schlusssteinrelief "Gottvater" - nach der Restaurierung (Foto: Archiv Mrziglod, Tholey)

Gewölbe des Chorhauptes; Schlusssteinrelief "Gottvater" - nach der Restaurierung 

St. Wendel, Innenraumrestaurierung der Katholischen Pfarr- und Wallfahrtskirche St. Wendalinus 1981

Letzte Änderung: 01/02/2012

Die Katholische Pfarr- und Wallfahrtskirche St. Wendalinus zu St. Wendel gehört zweifellos zu den bedeutenden Sakralbauten im Saarland.


Die Kirche wurde nach 1328 errichtet; in diesem Jahr war St. Wendel an Kurtrier gekommen; 1332 erhielt es die Stadtrechte. Die Stadt blieb bis 1798 trierisch.
Dem Bau des 14. Jahrhunderts war eine ältere Kirche vorausgegangen, die Heimat einer im Frühmittelalter begründeten Wallfahrt zum Grab des namensgebenden Heiligen war. Dessen Reliquien wurden und werden in der Kirche aufbewahrt und verehrt.


Stadt und Wallfahrt waren für Kurtrier bedeutend, wie Stadtbefestigung sowie Rang und Ausstattung der Kirche ausweisen.

Neben skulpturalen Denkmälern von Rang war und ist die dekorative und sprechende Ausmalung des Innenraumes der Kirche von künstlerischem und historischem Wert. Vor allem die in neuerer Zeit eingebaute Heizungsanlage und andere äußere Einflüsse hatten die Farbfassung in einen sehr schlechten Zustand versetzt, sodass eine neuerliche, die dritte, Restaurierung von Grund auf erforderlich war.

 

Das Innere der Pfarr- und Wallfahrtskirche St. Wendalinus zu St. Wendel bietet in seiner Farbigkeit Gottesdienstbesuchern wie kunstinteressierten Besuchern seit langem ein vertrautes Bild. Festlichkeit und Lebendigkeit, die die Farbfassung verleiht, wird als organischer wie originärer Teil dieses Sakralraumes empfunden. Doch wurde der festliche, feierliche Charakter eines der bedeutendsten Baudenkmäler unserer Region erst mit Innenrestaurierung, die 1981 im wesentlichen abgeschlossen wurde, wiedergewonnen.

Die Farbfassung spiegelt das Wesen des Baues wider, der Geisteshaltung der Zeit entsprechend, in der die Kirche entstand und die diesen Bau als Zeugnis ihres Glaubens schuf. Darin einschließen darf man sicher auch die Zutaten des 19. Jahrhunderts, das dem Wesen "mittelalterlicher Architektur als Bedeutungsträger" (Bandmann 1951) oft näher war als unsere Zeit.

Die letzte Restaurierung war bereits die dritte in diesem Jahrhundert. Schon 1923/24 konnte Prof. Schilling aus München Reste mittelalterlicher Ausmalung, wenn auch unzusammenhängend, freilegen; eine völlige Freilegung war damals noch nicht möglich. Wohl aber wurden die freigelegten Partien durch Zufügungen in angepasstem Stil ergänzt. So wurden u.a. sechs Wappenfragmente im Mittelschiffgewölbe wieder sichtbar gemacht, ein Streifen entlang dem Gewölbescheitel dürftig nachgemalt. Fünf der Wappen wurden rekonstruiert, ein Wappen frei ergänzt. Die Ornamente an Pfeilern und Kapitellen des Triumphbogens in Anlehnung an die vorhandene Ausmalung des 19. Jahrhunderts renoviert. Erst 1960 konnte eine weitergehende Freilegung - im Wesentlichen der Gewölbefresken des Mittelschiffes - erfolgen. Mit den Arbeiten war der Restaurator Loew betraut, der durch seine Tätigkeit am Mainzer Dom empfohlen war; die örtliche Betreuung oblag Prof. Walter Hannig, die Oberaufsicht der Landesdenkmalpflege.

Die Befunde von 1960/61 waren sehr unterschiedlich; der Zustand der freigelegten mittelalterlichen Malereien erwies sich von Osten nach Westen fortschreitend schlechter. Die dem Chor am nächsten gelegenen Ranken, Wappen und burlesken Szenen waren weitaus besser erhalten als Darstellungen im Westen, wie auch die Teile nahe der Pfeiler schlechter erhalten waren (der stärkeren Krümmung der Gewölbe wegen) als die den Gewölbescheiteln nahen Partien.

 

Auch später aufgetragener Putz hatte viel verdorben. Ganze Partien waren lange nach der Erbauungszeit neu ausgeputzt worden. Bei der jetzigen Restaurierung wurden, was ergänzende Zutaten angeht, nur Ranken hinzugefügt; diese passen sich dem vorhandenen an, sind aber deutlich erkennbar aus anderer Zeit, um jeden verfälschenden Eindruck zu vermeiden.

 

Aufgefrischt wurden die Wappendarstellungen, Kernstück der Mittelschiffausmalung. Es sind die Wappen des Erzbischofs Johann II. von Baden, des Nikolaus v. Kues (1442-1464 Kommendatarpfarrer von St. Wendel, d.h. Inhaber der Pfründe; die spätgotische Innenausmalung ist wahrscheinlich seine Stiftung), des Papstes Pius II, Kaiser Friedrichs II., der sieben Kurfürsten und dreier Adelsgeschlechter. Aufgrund der Wappen konnte Prof. Hannig die Ausmalung auf 1463/64 datieren, da nur in diesem Zeitraum alle fürstlichen Wappeninhaber die Kurwürde gleichzeitig innehatten. Der Befund von 1960 wurde mit Wasserfarben zu einer zusammenhängenden Darstellung ergänzt.

 

Eine umfassende Restaurierung war inzwischen dringend notwendig geworden. Seit Jahren schon hatte sich das Innere der Kirche wenig glanzvoll gezeigt. Wände und Ausstattungsstücke waren von einem Schmutzschleier überzogen, Folge der alten Schwerkraftumluftheizung mit zu geringen Luftaustrittsmöglichkeiten und nicht zuletzt eines Fehlers im Lüftungssystem. Die Behebung des Letzteren hatte keine Besserung gebracht, daher begann man 1977 mit der Planung für eine neue Heizung und 1979 mit dem Einbau (Leichtkraft-Umluftheizung, d.h. geringe Aufstieggeschwindigkeit der Luft, damit gleichmäßige Erwärmung; stärkere Filterung der Warmluft und mehr Austrittsöffnungen). Dazu war die Einbringung zahlreicher Kanäle in den Fußboden notwendig; dieser musste erneuert werden. Die Restaurierung der Ausmalung und notwendige Änderungen in der Disposition der Ausstattung waren unabweislich. Insbesondere letzteres betrifft den Chorraum, wo im Herbst 1980 Modellversuche mit Altar, Tumba und Schrein (Hochgrab) durchgeführt wurden. Dort hatte man inzwischen neben einem neuen Zelebrationsaltar Tumba und Schrein des heiligen Wendalinus aufgestellt. Eine endgültige Lösung - vor allem der Frage der Aufstellung des Hochaltares - steht noch aus.

 

Die Restaurierungsarbeiten wurden geplant und durchgeführt unter Aufsicht und Mitarbeit der Denkmalpflege, sowohl des Landes (unter Landeskonservator Dr. Martin Klewitz; wesentlichen Anteil hatte Karl Kirsch vom Landeskonservatoramt, der die Aufsicht am Bau wahrnahm), als auch die des Bistums (unter Bistumskonservator Dr. Franz Ronig und dessen Mitarbeiter Dr. Busse), die Bauaufsicht lag bei dem Architekten van Stipelen, Trier. Hinzugezogen wurde wegen der Farbfassung der Amtsrestaurator beim Landesamt für Denkmalpflege Hessen, v. Scholley. An dieser Stelle sei, da es hier in erster Linie um die Innenausmalung geht, die Restaurierungsgsfirma Mrziglod aus Tholey erwähnt, die diese Arbeiten ausführte (daneben waren noch zahlreiche Handwerksbetriebe aus St. Wendel und dem übrigen Saarland beteiligt). Die Finanzierung wurde aus Mitteln des Bistums, Zuschüssen der öffentlichen Hand, Spenden eines privaten Förderkreises (Dombauhütte e.V.) sowie aus einer Lotterie bestritten.

Wie bietet sich nun das Innere von St. Wendalinus dar und auf welche Befunde geht die Farbgebung zurück? Im Chor sind die Wandflächen in ungebrochenem Weiß gehalten, die Architekturglieder (darunter sind Stützen - hier Wandvorlagen, Gurt- und Blendbögen, Dienste und Gewölberippen, sowie Fensterrahmungen und Maßwerk zu verstehen) sind in einem kräftigen, gotischen Rot gefasst (Chorteile erbaut vor 1360). Diese Farbe geht auf originalen Befund aus der Erbauungszeit zurück. In den Schiffen sind die Wandflächen ebenfalls in Weiß, die Architekturglieder (Rundpfeiler, Bögen, Rippen) sind in Rot mit aufgemalter Quaderung in Weiß gehalten; die Profile der Basen an den Stützen, sowie deren Platten sind schwarz abgesetzt, zusätzlich sind die roten Partien mit schwarzen Begleitstrichen gerahmt. Die Kapitelle des Langhauses an den Wandvorlagen zeigen körperhaftes Blattwerk in Gold auf schwarzem Grund, gerahmt von grünen Streifen. Die Rippenansätze ("Hosen") bzw. Kreuzungsstellen der Rippen in den Seitenschiffen sind durch je zwei Streifen, ocker und schwarz im Wechsel, sowie einem abschließenden grünen Streifen belebt. Die Deckenmalereien des Mittelschiffes sind in zartem Grün, Braun (in Abstufungen) und Rot gehalten.

 

Die Wappenreihe bleibt zum überwiegenden Teil auf die Gewölbekappen in der Deckenmitte konzentriert; dabei sind die buntfarbigen Wappen in Rankenwerk eingebettet oder alleine in einen Zwickel gesetzt. Einige Wappen werden von Engeln gehalten. Andere sind mit Insignien und Schriftbändern versehen. In den übrigen Zwickeln finden sich neben dem Rankenwerk musizierende Engel. Zwischen die Ranken eingestreut finden sich burleske Szenen, Drolerien und fratzenhafte Gesichter (möglicherweise die Darstellung von Sprichwörtern oder menschlichen Schwächen; ein Jäger etwa versucht einen Vogel mit Pfeil und Bogen zu erlegen, hat den Pfeil aber mit der Spitze gegen sich selbst gerichtet). Diese auflockernden Szenen und Figuren sind in ihrer Farbigkeit den Ranken angeglichen, dazu kommen Rot- und Blautöne. Einige der Fratzen, aber auch Rosetten etc., sind um Löcher in der Decke angeordnet (eine Öffnung etwa bildet den aufgerissenen Mund eines Koboldes) - diese Löcher führen zu Schalltöpfen außerhalb der Gewölbeschale, die schon in der Erbauungszeit zur Verbesserung der Akustik angebracht wurden - eine beachtliche technische Errungenschaft.

 

Nahe verwandte Formulierungen finden wir auch in der Mathiaskirche zu Sobernheim/Nahe im Mittelschiff (1484), das sehr reiche, vielgliedrige Gewölbemalereien aufweist. Neben Blütenranken, Wolkenbändern und Flammenbündeln sind hier Wappen, Männerköpfe mit seltsamen Kopfbedeckungen und grotesken Zügen gegeben. Ähnlich in der Martinskirche zu Oberwesel (14. Jh.) oder in der Franziskanerkirche zu Oppenheim (14. /15. Jh.), wo sich solche Masken ebenfalls in Verbindung mit Schalllöchern in der Gewölbeschale finden. Vergleichbar sind auch dekorative Ausmalungen aus spätgotischer Zeit (Ranken, Blumen, menschliche Köpfe - der Mund wieder als Schallloch - und Tierköpfe, mit Pflanzen verbunden, die schon an Arabeskenmotive erinnern) in der ehem. Benediktinerkirche zu Kornelimünster bei Aachen (14.-16. Jh.), dort besonders im Chor und im nördlichen Seitenschiff.

In den Seitenschiffen von St. Wendalinus waren nur wenige Reste alter Befunde erhalten, etwa an den Kreuzungspunkten der Rippen. Deckenmalereien sind nicht mehr rekonstruierbar. Insgesamt entspricht die Farbigkeit der Seitenschiffe der des Mittelschiffes. Die Türrahmen im Inneren wurden wegen der schlechten Befundlage in Analogie zu Farbresten aus der Erbauungszeit an den Außenpforten des Langhauses gefasst (die Kehlen schwarz, das Stabwerk ocker). Im Chorraum werden Rippen und Stützen von aufgemaltem Blattwerk begleitet, das an Geweihformen erinnert. Das Blattwerk ist in Rotbraun oder Grün/Schwarz gegeben (auch in Gelb-Braun-Kombination). Entlang dem Gewölbescheitel sind die Blätter etwas größer ausgeführt. Ferner finden sich Sterne oder Rosetten in gleicher Färbung. Die Kehle des Triumphbogens zeigt Blattwerkranken in Olivgrün, Ocker, Braun, Weiß, mit schwarzen Strichen konturiert, auf dunkelgrünen Grund. Die genannten Ornamente sind Zutaten des 19. Jh. (nach Hannig aus dem Jahre 1829), die wieder aufgefrischt wurden. Es sind dies aber keine Phantasieprodukte eines zierwütigen Historismus, sondern durchaus akzeptable und erhaltenswerte Ergänzungen, die auf mittelalterliche Tradition gründen, wie der Vergleich mit der originalen Ausmalung anderer Bauten der Spätgotik zeigt. Die Schlusssteine und figürlichen Konsolen wurden in einer Fassung ergänzt (grün, ocker, grau, rot und blau), was durch die Jahrhunderte immer wieder nach der ursprünglichen Bemalung geschehen ist. Die Kreuzungspunkte der Gewölberippen im Chor zeigen eine ähnliche Streifenzier wie im Langhaus; der Birnstab ist mit floralen Ornamenten des 19. Jh. in Grün, Braun, Goldfarben und Silbergrau geziert. Die Farbfassung in den Schriften war während der Restaurierung von 1960 zum Teil mit einem klaren Binderfirnis überzogen worden, der die genaue Untersuchung und Restaurierung an diesen Stellen außerordentlich erschwerte, da der Überzug zu fest mit dem Putz verbunden war; eine Entfernung ohne Beschädigung wäre nicht möglich gewesen. Als Folge musste z.T. die Ausmalung von 1960 übernommen werden, ohne durch Originalbefund abgesichert zu sein. Bei größter Genauigkeit der Untersuchung erwies sich, dass weitaus weniger mittelalterliche Substanz erhalten war als angenommen; deshalb waren 1960 nicht nur Ergänzungen vorgenommen, sondern war auch einiges in freier Analogie hinzugefügt worden. Die Ergänzungen wurden, wo notwendig, entfernt bzw. in Anlehnung ergänzt. So wurden Ranken, die 1960 zu dünn ergänzt worden waren und damit aus dem Zusammenhang fielen, etwas stärker nachgezogen.

 

Soweit in den Schiffen ein alter Befund zu ermitteln war, wurde festgestellt, dass die Erstausmalung in Grau gehalten war (im Gegensatz zur roten Fassung der Architekturglieder im Chor). Spätere Übermalungen waren in gebrochenem Rot bzw. Rosa gehalten; nicht weniger als fünf verschiedene Übermalungen konnten festgestellt werden. So stand die Denkmalpflege bzgl. der Mittelschiffausmalung vor der Frage, welche der möglichen Fassungen restauriert werden sollte, da die Erstfassung - im Chor wiederhergestellt - im Langhaus eine andere Farbgebung zeigte als im ältesten Bauteil, dem Chor.

Die unterschiedliche Farbgebung entspricht der Wandlung im Geschmack der Entstehungszeit; bevorzugte man in der Romanik und der frühen Gotik eine bunte, kontrastreiche Farbgebung heraldischen Charakters, so traten mit Fortdauer der Gotik Farben in den Vordergrund, die aus der Materialfärbung abgeleitet waren (die Steinfarben wurden auf einen Farbwert zurückgeführt: gelb, grau, rot).
"Die Art des Farbauftrages wechselt mit dem Zeiten ..." und "... sondern ein neuer Dreiklang aus Rot, Blau und Gold oder Gelb. Als Nebenfarben kommen Purpur, Grün und Weiß ... und Schwarz vor." (Sedlmayr 1950, S. 24)

 

Obschon einer Erstfassung ein gewisser höherer Stellenwert eingeräumt werden mag, so haben auch spätere Fassungen ihren Sinn und ihre Berechtigung. Originalität muss ein Faktor, darf aber nicht immer der Entscheidende sein. "Unabhängig davon, wie eine Erstfassung interpretiert und bewertet wird, sollten den darüberliegenden Schichten die gleiche Aufmerksamkeit und Sorgfalt zugewendet werden wie den älteren." Und: "... ob Farbfassungen die gleiche Original-Dignität besitzen wie andere, von Architekt und Bauleuten als unveränderlich "feststehend" konzipierte Elemente der Architektur?" (Rupprecht, S. 3). Sicher darf man Rupprecht in gewissem Sinne Recht geben; die Farbfassung ist eine variable Größe an einem Bau, doch diese Variabilität muss sich in Grenzen erstrecken, die von der Architektur selbst, ihrer Bedeutung und der historischen Wahrheit gezogen werden. Entsprechend musste auch innerhalb des durch die Befundlage abgesteckten Rahmens in St.Wendel eine Entscheidung getroffen werden. Während im Chor die gotische Fassung mit den Ornamentzutaten des 19. Jahrhunderts restauriert wurde, entschied man sich in den Schiffen gegen die spätgotische graue Fassung und für die rote Fassung der Architekturglieder des 19. Jahrhunderts. Eine Entscheidung, die man nicht nur vertreten kann - im Hinblick darauf, dass ja auf eine authentische Fassung zurückgegriffen wurde (s. Zitat B. Rupprecht) - sondern in diesem Fall ausdrücklich gutheißen muss.

Es gibt für diese Lösung eine Reihe guter Gründe. Der wichtigste Grund ist die optische Einheit, d. h. zu vermeiden, dass der Bau seine architektonische Geschlossenheit durch ein Auseinanderbrechen in der Farbigkeit zwischen Chor und Schiff verliert.


"In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass die Wiener Restaurierung (der Hofburgkapelle, Wien, Erstfassung 1449, Anm. des Verf.) - nicht ohne Bedauern über die Unmöglichkeit die Erstfassung zu restituieren - sich für die 'Wiederherstellung' der zehnten Fassung aus dem Jahre 1802 entschied." (Rupprecht, S. 3). Und weiter: "... diese eigentlich architektonische Leistung der farbigen Fassung beruht nicht nur auf der Unterscheidungsfunktion farbiger Werte an sich ..." (Rupprecht, S. 5) nämlich - und das ist sehr wichtig - der Unterscheidung tragender Teile = "aktiver" Teile, des "Bauskeletts" und der "passiven" Teile, der Wand- und Gewölbeflächen. Eine weitere Leistung farbiger Fassung ist auch die Schaffung eines Baues, eines gesamten in sich geschlossenen Organismus - und wo wäre ein Auseinanderfallen zweier "Bauhälften", ein Zerbrechen eines Ganzen sinnfälliger als in St. Wendel, wo Chor und Langhaus an einem doppelten, unterschiedlich hohen Triumphbogen bei gleichzeitiger Achsenverschiebung (von Langhaus und Chor) aneinander stoßen und nur eine einheitliche Farbgebung letztlich ein Zusammenwachsen bewirken kann.

Wichtig ist der Erlebnis- und Schauwert eines solchen Bauwerks, den wir aus der Sicht seiner Erbauungszeit sehen müssen. Günter Bandmann schreibt: "... die feste, dingliche Aussprache der Farbe: alles das wird durchtränkt von der sinnbildlichen Bezüglichkeit ... in dem die, dem Stoff eigentümliche, unmittelbare sinnliche Aussprache transponiert und auf eine höhere Ebene gehoben wird." (Bandmann 1951, S. 26)

Der nunmehr wiedergewonnene feierliche Charakter von St. Wendalinus wurde schon angesprochen, Sinn und Bedeutung dieses Bauwerks haben ihren Niederschlag im Aussehen gefunden. Geistiger Inhalt eines solchen Baues - und damit muss auch ein historisches Element mitgegriffen werden - die Frömmigkeit des Mittelalters an der Wende zur Neuzeit, drückt sich in seinem, für jeden erfassbaren, "anderen", den Bau heraushebendes Aussehen (= Schauwert) aus.

 

Was Goethe in seinen "Wahlverwandtschaften" 1809 als Mensch des 18./19. Jh. negativ formuliert : "Was mich betrifft, so will mir diese Annäherung, diese Vermischung des Heiligen zu und mit dem Sinnlichen keineswegs gefallen: nicht gefallen, dass man sich gewisse besondere Räume widmet, weihet und ausschmückt, um erst dabei ein Gefühl der Frömmigkeit zu hegen .." (Bandmann, S. 27) muss für den Menschen der Spätgotik im Positiven gelten; wie denn auch Friedrich Schlegel 1846 schreibt: "... die Bedeutung war das vornehmste Ziel jener alten Künstler", und weiter, das Bauwerk solle "... ein Nachbild von der ewigen Struktur des Himmels darbieten... " und "... das Wesentliche ist die göttliche Bedeutung, welche allein die Schönheit zur Schönheit macht" (Schlegel 1846, S. 182 ff).

 

Das gerade ist in St. Wendalinus der Fall gewesen, was zudem die ikonologisch so reiche Ausstattung noch unterstreicht. Das farbige Bauwerk des Mittelalters ist ja nicht nur bunte Dekoration im Sinne von Kulisse, sondern trägt in sich eine weitergehende symbolische Bedeutung; Gottfried Semper spricht (im 19. Jh.) von "Verkleidungssymbolik" (damit ist eine Wiedereinbringung von Bemalung des 19. Jahrhunderts einmal mehr gerechtfertigt, hatte doch gerade dieses Jahrhundert ein Gespür für die Sinnträchtigkeit mittelalterlicher Farbgebung).

St. Wendalinus ist nicht als beliebiger Raum für einen Kultus entstanden, sonder auch Verstofflichung des Kultus - anders gesagt: Versinnbildlichung der Idee der christlichen Religion in der Ausformung der Spätgotik; dazu gehört auch in hohem Maße die farbige Ausmalung. Bandmann fasst die Erkenntnisse Sedlmayrs für die mittelalterliche Baukunst so zusammen: "Die Gesamtkunstwerke sind gleichsam Abbilder der göttlichen Ordnung und alle Künste sind diesem Gesamtplan ein- und untergeordnet." (Bandmann 1951, S. 53)

Auch St. Wendalinus ist ein Gesamtkunstwerk aus Architektur, Skulptur und Malerei. Und noch ein Weiteres: nach Bandmann ist "... die Errichtung der Kirche selbst schon ein Stück des Kultes ...", im Mittelalter geschieht das Schaffen eines Bauwerkes "... unter Rückbeziehung aller Fakten auf einen durch Christus offenbarten Heilsplan ..." (Bandmann 1951, S. 51).

Wenn man von solch einem symbolischen Stellenwert eines Bauwerkes ausgeht, dann trägt auch die Farbe dazu bei, diese Bedeutung zu verstofflichen, in einer Zeit, die Dihm das "farbenfrohe Mittelalter" (Dihm 1907, S. 673) nennt - zu Recht, wie die Forschung seit langem bewiesen hat. So schreibt Hans Sedlmayr: "Farbspuren haben sich ... an fast allen bekannten Kathedralen erhalten." (Sedlmayr 1950, S. 26)

 

St. Wendalinus ist mit der Rückgewinnung seiner ursprünglichen Farbigkeit dem wieder nahegekommen, was das Bauwerk in seiner Entstehungszeit für die Menschen, die es schufen, bedeutete.

Der Einwand, die vorliegende Fassung des Langhauses sei die des 19. Jh. und spiegele nicht mittelalterliche Auffassung, wird nicht nur durch die Analogie zur Farbigkeit des Chores und damit durch den Gesamteindruck des "Gesamtkunstwerkes" widerlegt (abgesehen davon dürfen wir davon ausgehen, dass die unterschiedliche Fassung von Chor und Langhaus in der Erbauungszeit sicher noch angeglichen worden wäre oder dies wenigstens geplant war), sondern auch durch den Vergleich mit verwandten oder zeitgleichen Sakralbauten.

Am ehesten ist etwa die Pfarrkirche St. Michael zu Kirchberg bei Simmern (1460-90) heranzuziehen, deren ursprüngliche Fassung 1968/69 nach Befunden wiederhergestellt wurde. Die Wände sind dort in gebrochenem Weiß gehalten. Stützen, Vorlagen und Rippen, sowie Fenstergewände in einem warmen Rot-Ton mit weiß aufgemalten Lagerfugen. Auch die farbenkräftige Verzierung im Langhaus (gewellte und geradlinige Strahlenkränze, Helmzierden, Bäumchen, Wellenranken, Blattbüschel und Astwerk) und die reiche Farbpalette (Grün, Rot, gelb, Ocker und Schwarz) entsprechen der Ausmalung in St. Wendel. Selbst die Ansätze der Gewölberippen, die sog. "Hosen", an den Schlusssteinen sind denen in St. Wendalinus vergleichbar. Die Ornamentik in Kirchberg gibt Anlass, auch die ornamentalen Zutaten des 19. Jh. im Chor von St. Wendalinus als stimmig und Spätgotisches gut nachempfindend zu sehen. Ferner sei auf die Martinskirche zu Bockenheim / Weinstraße. (2. Viertel des 13. Jh., 1514 gotisch verändert und gewölbt) hingewiesen. Hier sind die spätgotischen Sandsteinteile rot lasiert, in Weiß aufgemalte Fugen und schwarze Begleitstriche kommen hinzu. Vergleichbar sind auch die Rankenmalereien des späten 15. Jh. in der Hallenkirche zu Höhn/Westerwald oder die der Schlosskirche zu Meisenheim/Glan (1479-1504). In der ehem. Stiftskirche zu St. Goar wurden 1409 Gewölberippen, Gurtbogen und Fensterlaibungen rot, mit weißer Quaderung, gefasst, die Schlusssteine rot, blau und gelb abgesetzt (Chor und Langhaus vor 1250). Für die einheitliche Farbgebung von Chor und Langhaus kann St. Stephan zu Simmern (1486-1509) als Beispiel dienen (Ausmalung 1968 nach originalem Befund restauriert): alle tragenden Teile (Pfeiler, Rippen), sowie Fenstergewände sind in Ocker mit Quaderimitation gegeben, Wandflächen und Gewölbekappen weiß.

Abschließend sei noch auf die Fassung der Orgelempore von St. Wendalinus hingewiesen, deren Substruktionen (Postamente und Arkadenbögen) aus Sandstein eine Einfügung des Barock, deren Brüstung aber eine, durchaus stimmige, barockisierende Ergänzung um 1900 aus Gips ist. Die Denkmalpflege hat sich hier für eine zusammenfassende Einfärbung nach dem barocken Befund entschieden, die diese späteren Hinzufügungen von der übrigen spätgotischen Architektur abhebt und einen reizvollen Kontrast zum Rot der Rundpfeiler bildet. Die Orgelempore ist überwiegend in abgestuften Grautönen gehalten, Spiegel, Medaillons, Puttenköpfchen und Baluster der Brüstung sind in Weiß abgesetzt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mit der Restaurierung der farbigen Ausmalung der St. Wendalinus "Basilika" das Möglichste nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten geschehen ist, den ursprünglichen Charakter dieses 'Gesamtkunstwerkes' wiederherzustellen und einen dem Wesen des Bauwerkes entsprechenden Raumeindruck zu vermitteln.

Einer der ganz wenigen großen Kirchenbauten des Saarlandes des Mittelalters hat die ihm angemessene schöne und reizvolle Innenausmalung wiedererhalten, eine große Bereicherung für unsere Landschaft.

Michael Jähne

 

 

 

Bibliografie (Auswahl)

  • Friedrich Schlegel. Grundzüge der gotischen Baukunst. Leipzig 1846, S. 183 ff
  • L. Dihm: Der Außenanstrich der Backsteinbauten im Mittelalter. In: Zentralblatt der Bauverwaltung, Nr. 103, 1907, S. 673f
  • Hans Sedlmayr: Die Entstehung der Kathedrale. Zürich 1950
  • Günter Bandmann: Mittelalterliche Architektur als Bedeutungsträger. 1. Auflage, Berlin 1951
  • Bernhard Rupprecht: Architektur und Farbe. In: Deutsche Kunst und Denkmalpflege. Jg. 38, 1980, H. 1-2

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